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24 Februar 2015 | Oberflächen POLYSURFACES 06/2014 | Galvanotechnik

Die Mission: selektive Beschichtung

Schwerpunkt des Geschäftsfeldes der AHC-Gruppe ist die funktionelle Veredelung von technischen Oberflächen als Dienstleistung. Bauteile werden mittels patentierter und eigenentwickelter Verfahren vor Korrosion und Verschleiss geschützt oder mit speziellen Eigenschaften versehen. Entwicklungsmässig geht der Trend in der AHC Gruppe hin zu selektiven Beschichtungsverfahren.
In der Regel bewähren sich für eine ganze Reihe von Anwendungsfällen klassische chemische und galvanische Tauchbeschichtungen. Einer zunehmenden Anzahl von Anforderungen, bei denen es um eine selektive Galvanisierung geometrisch anspruchsvoller Bauteile geht, werden diese konventionellen Verfahren jedoch nicht gerecht. Hier steht, vor allem für die Automobilindustrie, mit dem selektiven Beschichtungsverfahren «Selga-Coat» eine wirtschaftliche und umweltgerechte Alternative zur Verfügung.
 
Ein prominentes Beispiel aus dem Bereich der Automobilindustrie ist die selektive Hartanodisation (Selga-Coat) der ersten Ringnut von Motorkolben.
 
Wirtschaftliche und umweltgerechte Beschichtung
Im französischen AHC-Werk in Faulquemont (Lothringen) glänzt der Hallenboden in der Werkshalle blitzblank. Nur einige Reifenspuren vom Gabelstapler sind zu sehen. Der Geräuschpegel ist niedrig und dennoch wird emsig gearbeitet. «Wir haben kleine Beschichtungsinseln», erläutert Céline Fundenberger, Betriebsleiterin der AHC Surface Technology SAS in Faulquemont. «Wir beschichten an flexiblen Anlagen selektiv Aluminiumbauteile für die Automobilindustrie nach dem Selga-Coat-Verfahren.» Hier bestimmt diese innovative Technologie voll und ganz das Tagesgeschäft.
Bei der typischen Badbeschichtung werden Bauteile in einem grossen Elektrolyt-Tauchbad unter Stromeinwirkung beschichtet. Beim «Selga-Coat»-Verfahren wird das Aluminiumbauteil dagegen nicht in einen Elektrolyten getaucht, sondern in ein Beschichtungswerkzeug gelegt. Die Elektrolytflüssigkeit bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit zwischen dem als Anode geschalteten Bauteil und der Kathode. Integrierte Abdichtsysteme sorgen im speziell angefertigten Werkzeug dafür, dass der Elektrolyt in definierten Teilbereichen zirkuliert. So wird nur die Funktionsfläche des Bauteils vom Elektrolyten unter Stromeinwirkung umströmt und beschichtet. Das Abkleben der Bauteile entfällt ebenso wie eine mechanische Nacharbeit.
 
Ein Konstrukteur arbeitet an einer neuen Werkzeugkonstruktion.
 
Höhere Bearbeitungsgeschwindigkeiten
Bei der Konstruktion des Werkzeuges, das für jeden Anwendungsfall eigens angefertigt werden muss, sowie in der Einstellung der Beschichtungsparameter zeigt sich die grosse Erfahrung der Mitarbeiter. Das jeweilige Beschichtungswerkzeug wird nach deren Vorgaben extern gefertigt, anschliessend von AHC zusammengebaut und an eine der flexiblen, kleinen Anlagen angeschlossen und eingefahren.
Die «Selga-Coat»-Technologie ist inzwischen so weit entwickelt worden, dass bis zu zehnmal höhere Beschichtungsgeschwindigkeiten erzielbar sind als beim klassischen Tauchgalvanisieren. Auch die Schichtqualität ist hervorragend, zum Beispiel:
•    Sehr enge Beschichtungstoleranzen
•    Sehr niedrige Aufrauung nach der Beschichtung
•    Gute elektrische Isolierung
•    Sehr gute Verschleissfestigkeit
•    Sehr gute Korrosionsbeständigkeit

Der Elektrolyt ist ebenfalls Kernstück des «Selga-Coat»- Verfahrens und wird auch an andere Unternehmen geliefert, die ihre Bauteile selbst mit «Selga-Coat»-Anlagen beschichten. Denn das Verfahren wird von der AHC-Gruppe auch in Lizenz vergeben. AHC Faulquemont verkauft solche Anlagen und installiert sie vor Ort in den Kundenproduktionslinien. Durch diese fertigungsflussintegrierte Oberflächentechnik werden die Nachteile der traditionellen Fertigung wie zum Beispiel Transportkosten, Zeitverzug, temporärer Korrosionsschutz, allfällige Beschädigung oder lange Durchlaufzeiten minimiert. So beschichtet beispielsweise das AHC-Werk im polnischen Gorzyce Motorkolben mit von AHC Faulquemont installierten «Selga-Coat»-Anlagen.

 
Überprüfung der Schichtabgrenzungen eines Bauteils.
 
Anlagen für viele Länder
Nach den Plänen von AHC Surface Technology SAS wurden bereits 21 «Selga-Coat»-Anlagen gebaut, davon wurden 12 Einheiten nach Deutschland sowie in andere Länder wie Brasilien, China, Indien, die Türkei oder Tschechien. Alle Anlagen arbeiten im geschlossenen Kreislaufsystem. Dadurch werden weniger Verunreinigungen in den Beschichtungsprozess eingeschleppt als bei klassischen Tauchverfahren. Da die Beschichtung selektiv erfolgt, sind Elektrolytverluste minimal und somit der Elektrolytverbrauch äusserst wirtschaftlich.
Das französische AHC-Werk arbeitet heute mit 23 Mitarbeitern für Kunden, die allesamt aus der Automobilindustrie stammen. «Nur in dieser Branche werden bisher Bauteile in einer grossen Stückzahl gefertigt, so dass sich der Bau eines Werkzeugs amortisiert», erläutert Céline Fundenberger. Das können dann gut und gerne bis zu 800’000 Bauteile pro Referenz beziehungsweise Teilefamilie und Jahr sein. Nach dem «Selga-Coat»-Verfahren werden unter anderem hartanodisiert: Hydraulische Lenkhilfepumpen, Motorkolben, Platten für Stop-&-Start-Systeme, Pumpengehäuse, Steuergehäuse, Ventilgehäuse für ESP-Systeme, Wärmetauscher für AGR-Systeme, Zwischenplatten für Automatikgetriebe.
«Im letzten Jahr hatten wir nur vier Reklamationsfälle, die vom Kunden ausgelöst wurden», berichtet Frédéric Cours, der Produktionsleiter, stolz. «Die Ausfallquote liegt unter 0,5%. Die Kunden schätzen diese Beschichtungsqualität sehr.»
 
Eine Bedienerin startet den Beschichtungszyklus von Ventilgehäusen.

Innovative Entwicklungen
AHC-Faulquemont ist auch bei innovativen Entwicklungen in der AHC-Gruppe ganz vorne mit dabei. Der Prototyp für eine «Selga-Coat-Chrom»-Anlage zur selektivgalvanischen Abscheidung von Hartchrom wurde hier mit Unterstützung von Verfahrensspezialisten der Gruppe entwickelt. Im niederländischen AHC-Werk in Venlo wird dieses Jahr das neue Verfahren der selektiven Beschichtung von unlegiertem oder gehärtetem Stahl in die Serienproduktion gehen. Mit diesem Verfahren werden Härten von 950 bis 1200 HV realisiert. Der Korrosionsschutz zeigt mit 240 h Salzsprühtest (DIN EN ISO 9227) gute Ergebnisse, und dies bei einer Schichtdicke von nur 22 ±2 µm. Für einige Anwendungen bietet das Verfahren eine echte Alternative zur konventionellen Verchromung.

 
Eine Bedienerin positioniert die zu beschichtenden Gehäuse in das Beschichtungswerkzeug.

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