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05 November 2015 | Oberflächen POLYSURFACES 04/2015 | Traitements mécaniques

Entgratprozesse durch innovative Lösungen optimieren

Ob spanend, umformend oder urformend hergestellt – die Entgratung von Bauteilen zählt üblicherweise nicht zu den Kernkompetenzen der Teilehersteller. Daher wird die Entfernung der Fertigungsüberbleibsel häufig noch als notweniges Übel gesehen, das die Stückkosten erhöht. Durch weiter steigende Anforderungen an die Qualität und Funktionalität von Produkten gewinnen zwischen- und nachgelagerte Prozesse wie die Entgratung jedoch immer mehr an Bedeutung. Dazu kommt, dass Bauteile immer komplexere Geometrien aufweisen und aus neuen Werkstoffen oder Materialkombinationen hergestellt werden. Dies macht auch beim Entgraten den Einsatz optimal an die vielfältigen Gratanforderungen angepasster sowie prozesssicherer Technologien erforderlich. Ansonsten leidet nicht nur die Produktqualität, sondern auch die Wirtschaftlichkeit.
 
Bei der Entgratung von Werkstücken werden immer höhere Anforderungen an die Qualität, Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit gestellt. (Bild: Piller Entgrattechnik GmbH, D-71254 Ditzingen, www.piller-online.com)
 

Kosten sparen durch Gratvorhersage und -minimierung
Vor allem spanend hergestellte Werkstücke weisen häufig schwer zugängliche Entgratbereiche wie Hinterschneidungen, Schlitze, Nuten sowie innenliegende und sich kreuzende Bohrungen auf. Dabei wird der Grat mit zunehmender Komplexität des Werkstücks immer schwieriger erreichbar. Und doch kommt es auch hier darauf an, Grate zuverlässig, bedarfsgerecht und ohne negative Beeinflussung des Materials zu entfernen. Eine weitere Herausforderung stellen so genannten Sekundärgrate dar, die beim Entfernen der Grate durch das Entgratwerkzeug entstehen.
Einen wesentlichen Beitrag zu einer prozesssicheren und effizienten Entgratung leistet ein Modell zur Gratvorhersage und -minimierung bei Werkstücken aus Stahl und Nichteisenmetallen. Es wurde von der Dr.Beier-Entgrattechnik auf der Basis eines umformtechnischen Ansatzes der Gratentstehung für die praktische Anwendung entwickelt. Ziel ist es, der Produktionsplanung und Konstruktion durch eine praxisgerechte und schnelle Vorhersage der Gratentstehung ein Tool an die Hand zu geben, um Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. In das Modell fliessen Beziehungen aus der Materialwissenschaft und der ingenieurmässigen Betrachtung von Zerspanungs- und Umformprozessen ein. Die Gratentstehung wird hauptsächlich vom Spannungs-Dehnungs-Verhalten des Materials und den auftretenden Schneidkräften bestimmt. Das elastische und plastische Materialverhalten wird aus den Ergebnissen von Zugversuchen abgeleitet. Die Bestimmung beziehungsweise Festlegung der Schneidkräfte wird aus Beziehungen der Spantechnik bestimmt.
 
Bei den HSD-Werkzeugen wird die Kraft der Schneiden (rot) durch ein Druckmedium aufgebaut. Oben: Schneiden eingeklappt, ohne Druck; unten: Schneiden durch Druck aktiviert. (Bild: Dr. Beier Entgrattechnik, D-12623 Berlin, www.beier-entgrattechnik.de)
 

Hochgeschwindigkeitsentgraten – eine Frage des Werkzeuges
Vor allem bei spanend gefertigten Werkstücken, die in grossen Stückzahlen hergestellt werden, erfolgt die Entgratung am Ende der automatisierten Fertigung beziehungsweise nach einem Teilprozess. Unter Wirtschaftlichkeitsaspekten ideal ist, wenn das Entgraten im Bearbeitungszentrum beziehungsweise der CNC-Maschine vollautomatisiert in hoher Geschwindigkeit erfolgen kann. Um bei kurzen Taktzeiten den Fertigungsablauf nicht zu verlängern und eine gleichbleibend hohe Qualität sicherzustellen, sind einerseits zuverlässige, automatisierte und effektive Entgratmethoden erforderlich, und andererseits auf die Anwendung abgestimmte Spezialwerkzeuge, die auch bei komplexen Werkstücken mit schwer zugänglichem Grat ein anforderungsgerechtes Ergebnis ermöglichen. Darüber hinaus dürfen durch den Entgratprozess keine Sekundärgrate erzeugt werden.
Für solche Anwendungen wurden spezielle HSD-(High Speed Deburring-)Werkzeuge entwickelt. Bei diesen wird die für das Schneiden erforderliche Kraft nicht durch Federelemente, sondern durch ein Druckmedium, beispielsweise die vorhandenen Kühlmittel-, Öl-, Druckluft- oder MMS-Zuführungen, aufgebaut. Dieses System bietet den Vorteil, dass die Kraft an der Schneide über einen weiten Bereich der Schneidenauslenkung konstant bleibt. Die Schneiden werden innerhalb der Bohrung durch die Bohrungswand am weitesten eingedrückt. Da hier kein Grat vorhanden ist, würde eine hohe Kraft auf der Schneide zu einer Oberflächenänderung oder gar -beschädigung sowie unnötigem Verschleiss führen. Die HSD-Werkzeuge entfalten die höchste Kraft bei weit ausgefahrenen Schneiden, beispielsweise bei Bohrungskanten am Ein- oder Austritt, der zu entgratenden Kante der Querbohrung oder der eines Schlitzes. Also genau dort, wo die Kraft gebraucht wird, um zu entgraten und falls erforderlich eine Fase zu erzeugen. Die Werkzeuge ermöglichen ohne konstruktive Anpassung sowohl das Vorwärts- und Rückwärtsentgraten als auch das Entgraten von Querbohrungen.
Durch die Hauptbohrung können mit einem HSD-Werkzeug alle Querbohrungen sowie der Ein- und Austritt der Hauptbohrung zeitsparend in einem Arbeitsgang entgratet werden. Verschiedene Durchmesser der Querbohrungen, allenfalls zu entgratender Schlitze oder Langlöcher spielen dabei keine Rolle. Gleichzeitig verhindern die speziellen Schneidenformen, dass der Grat nur umgebogen oder in die Querbohrungen gedrückt wird.
 
Das neue CBD-Verfahren ermöglicht die automatisierte Entgratung von sich kreuzenden Öllochbohrungen in beliebigem Bohrverhältnis und mit Durchdringungswinkeln deutlich kleiner 90°. (Bild: Heule Werkzeug AG, CH-9436 Balgach, www.heule.com)
 

Neues Verfahren für gratfreie, sich kreuzende Öllochbohrungen
Noch in der Feldtestphase befindet sich das neue automatisierte Entgratverfahren CBD (Cross Bore Deburring) der Heule Werkzeug AG. Es ist eine Weiterentwicklung des bewährten, modular aufgebauten «Cofa»-Werkzeugsystems, bei dem in der neusten Generation der Messerhalter und das Messer getrennt sind. Das neue Design sorgt sowohl für eine erhöhte Wirtschaftlichkeit als auch Produktivität und eröffnet ein breiteres Anwendungsfeld. Die Integration des Werkzeugs in das Bearbeitungszentrum oder die CNC-Maschine ermöglicht die Herstellung fertig entgrateter Werkstücke. Voreinstellungen am Werkzeug sind nicht erforderlich, das mechanisch sauber geführte Entgratmesser lässt sich einfach von Hand oder mit einer Vorrichtung einsetzen und auswechseln. Das Funktionsprinzip gewährleistet die gleichmässige, radiusförmige und sekundärgratfreie Entgratung mit definierter Schneide an ebenen und unebenen Bohrungskanten. Dabei erfolgt die Rückwärts- und Vorwärtsbearbeitung in einem Arbeitsgang ohne Umkehr der Spindeldrehrichtung und ohne aufwendiges Drehen des Werkstücks. Teiletoleranzen werden durch das Wirkprinzip des Werkzeugs automatisch kompensiert. Einsetzbar ist das «Cofa»-Werkzeug auch bei Werkstücken aus schwer zerspanbaren Werkstoffen wie Edelstahl, Titan und Inconel ab einem Bohrdurchmesser von 2 mm.
Begrenzt wird der Einsatz dieses Werkzeugsystems jedoch bei sich kreuzenden Bohrungen, deren Durchmesserverhältnis gegen 1:1 geht und deren Durchdringungswinkel kleiner 90° ist. Für solche Anwendungen, beispielsweise die Entfernung von innenliegenden, rückseitigen Graten in Öllochbohrungen wurde das CBD-Verfahren entwickelt. Auch dieses Werkzeugsystem ist modular aufgebaut und lässt sich in die Bearbeitungsmaschine integrieren. Es verfügt jedoch über ein verändertes Wirkprinzip: Das Entgraten erfolgt hier achsial, vergleichbar mit dem Räumen, und der Vorschub radial. Dadurch macht es dieses Verfahren erstmals möglich, sich kreuzende Bohrungen in einem nahezu beliebigen Durchmesserverhältnis und mit einem Durchdringungswinkel deutlicher kleiner 90° automatisiert im Zerspanungsprozess mit definierter Schneide zu entgraten. Dabei wird durch das rein mechanische Wirkprinzip eine hohe Prozesssicherheit erzielt.
 
Fachmesse für Entgrat- und Poliertechnik
Mit der «DeburringEXPO», Fachmesse für Entgrat- und Poliertechnik, wurde eine neue Plattform geschaffen, auf der sich Anwender aus allen Branchen umfassend über entsprechende Technologien informieren können. Die erste Veranstaltung findet vom 13. bis 15. Oktober 2015 in der Messe Karlsruhe statt. Das Ausstellungsportfolio umfasst Anlagen, Systeme und Werkzeuge für das Bandschleifen, Bürsten, Strömungsschleifen (Druckfliessläppen), Gleitschleifen, Strahlen mit festen und flüssigen Medien wie beispielsweise Hochdruck-Wasserstrahlen und CO2-Strahlen, Strahlspanen, magnetabrasives Feinentgraten, Ultraschall­entgraten, chemisches Badentgraten, elektrochemisches Entgraten (ECM), Elektronenstrahlentgraten, thermisch-chemisches Entgraten (TEM), mechanisches Entgraten, Polierläppen, Polierhonen, elektrolytisches Polieren, Plasmapolieren, Laserpolieren, Tauch- und Bürstpolieren sowie Mess-, Prüf- und Analysesysteme. Weitere Informationen: www.deburring-expo.com.
 

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