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02 August 2013 | Oberflächen POLYSURFACES 03/2013 | Oberflächenbehandlung

Partikelfreie Bauteile durch Vorbehandlung im Niederdruckplasma

Simone Fischer

Beim Beschichten von Produkten aus Polycarbonat oder PMMA müssen die Rohteile mit einer hohen Oberflächenreinheit dem Applikationsprozess zugeführt werden. Denn schon die kleinsten Schmutzeinschlüsse im Lack führen zum Verwerfen des beschichteten Teiles. Die Niederdruckplasma-Technik bereitet die Bauteile optimal auf den nachfolgenden Beschichtungsprozess vor.
An vielen Produkten des täglichen Gebrauchs werden Abdeckungen oder Displays aus Glas immer mehr durch solche aus Polymeren ersetzt. Betrachtet man das Eigenschaftsprofil des Polycarbonats (PC) etwas genauer, so wird deutlich, dass dieser Werkstoff aufgrund seiner amorphen Struktur eine glasklare Transparenz und einen hohen Oberflächenglanz mitbringt. Dabei handelt es sich um Eigenschaften, die zum Ersetzen von Glas Voraussetzung sind. Zudem besitzt PC eine hohe Festigkeit, Steifheit, Härte und Zähigkeit im Bereich von -150 bis +135 °C sowie auch eine hohe Wärmeformbeständigkeit innerhalb dieser Temperaturgrenzen. Zu seinen Eigenschaften zählen weiterhin eine hohe Witterungsbeständigkeit und Beständigkeit gegen energiereiche Strahlung sowie ein geringes Wasseraufnahmevermögen [1]. Allerdings sind die Chemikalien- und Kratzbeständigkeit dieses Werkstoffs eher gering, so dass die Oberflächen einen entsprechenden Schutz benötigen. Dafür werden sowohl ultradünne Hardcoat-Lackierungen als auch klassische Klarlacküberzüge angewendet. Bei der Beschichtung der Bauteile müssen vor allem die Lösemittel auf das Substrat abgestimmt sein, damit es nicht zu Trübungen, Schlieren oder Spannungsrissbildung kommt [2].
 

Bild 1: Elektrostatisch aufgeladenes Helmvisier nach der Entnahme aus der Transportverpackung (links) sowie neutralisiertes Helmvisier nach der Vorbehandlung im Niederdruckplasma (rechts).
 

Typischerweise befinden sich PC-Erzeugnisse wie Streu- und Abschlussscheiben, industrielle Verscheibungen sowie Helmvisiere im direkten Kontakt mit Umwelteinflüssen. Aus diesem Grund erhalten sie an der Aussenseite eine Polysilox-Anlackierung mit einer glasähnlichen Kratzfestigkeit und auf der Innenseite meistens eine Antifog-Beschichtung. Handelt es sich um ein wasserbasiertes Lacksystem, das das Beschlagen der Bauteile im Gebrauch verhindert, so kann je nach Lack-Polycarbonat-Paarung eine Oberflächenaktivierung notwendig werden.
 
Rundum gleichmässig aktiviert und partikelfrei
Besonders geeignet für diesen Prozessschritt ist die Niederdruckplasma-Technik. Dabei wird in einem Vorbehandlungstakt die komplette Bauteiloberfläche mit all ihren Vertiefungen und Nuten, Hinterschnitten und Strukturierungen innen und aussen gleichmässig erfasst. Die Oberflächenenergie von beispielsweise Display- oder Abschlussscheiben, Nebelscheinwerfer- oder Blinkerabdeckungen wird in weniger als 30 s auf ein einheitliches Niveau gebracht, was prozesssicher eine homogene Benetzung durch wasserbasierte Lacke gewährleistet.
 

Bild 2: Ungereinigte Oberfläche (links) sowie im Niederdruckplasma gereinigte und aktivierte Oberfläche (rechts).

 
Durch den Transport von der Fertigungs- zur Beschichtungsstätte können sich die Bauteile durch die Reibung an der Verpackung beziehungsweise bei der Entnahme aus den Polybeuteln stark elektrostatisch aufladen. Die dabei entstandenen Ladungsnester ziehen aus der Umgebung Partikel aller Art an und «fixieren» diese auf der Werkstückoberfläche. Werden die Schmutzpartikel nicht abgereinigt, führen sie zu Einschlüssen in der Beschichtung. Für die Entladung der Bauteile und zur Entfernung der Partikel lässt sich ebenfalls der Plasmaprozess einsetzen. Infolge der im Plasma vorhandenen positiv geladenen Ionen erfolgt neben der Aktivierung der Oberfläche auch die Neutralisation der elektrostatischen Aufladung des Bauteils. Denn misst man die Feldstärke sowohl vor als auch nach dem Vorbehandlungsprozess, ist eine Reduzierung von teils mehreren kV/m (Bild 1 links) auf nahezu Null (Bild 1 rechts) feststellbar. Durch die erfolgte Entladung liegen die Stäube nun lose auf und lassen sich einfach entfernen.
Um Oberflächen durch den Niederdruckplasma-Prozess von Partikeln zu befreien wurde ein entsprechender Prozess entwickelt, der die drei vorgegebenen Forderungen Aktivierung, Entladung und Entstaubung erfüllt. Bild 2 zeigt die unbehandelte, «verstaubte» Oberfläche vor beziehungsweise die staubfreie nach dem Plasmaprozess. Um den Effekt deutlich darstellen zu können, wurde ein dunkel eingefärbtes PC verwendet und die Oberfläche zusätzlich mit UV-Licht beleuchtet.
 
In der Praxis im Einsatz
Diese Prozessführung zur Reinigung und Aktivierung hat sich bereits bei Hauben- und Durchgangsanlagen im Produktionsbetrieb bewährt. Bild 3 zeigt eine geöffnete Vorbehandlungseinheit. Die Abmessungen der Haube, die gleichzeitig als Vakuumkammer dient, werden individuell auf die Anwendung angepasst. Nach der manuellen Entnahme der PC-Teile aus der Anlieferverpackung werden sie einlagig in die Anlage eingebracht. Beim Schliessen des Deckels wird die Vorbehandlung automatisch gestartet. Nach bereits 40 s Prozesszeit (Evakuieren – Aktivieren – Belüften) stehen für die nachfolgende Beschichtung optimal vorbereitete Teile zur Verfügung. Diese werden sodann direkt aufgesteckt und in die Lackieranlage eingefahren. Dank dieses kombinierten, trockenen Vorbehandlungsschrittes konnte die aufwändige, nass­chemische Reinigung mit Lösemitteln ersetzt und die Ausschussrate aufgrund von Partikeleinschlüssen gegen Null reduziert werden.
Die Haubenanlage ist sehr kompakt ausgeführt, das heisst, alle für die Erzeugung eines Plasmas erforderlichen Komponenten befinden sich in einem Gehäuse. Dies ermöglicht es, die Einheit bis zu einem gewissen Gewicht fahrbar auszuführen. Somit kann sie der Anwender an verschiedenen Beschichtungslinien einsetzen.
 

Bild 3: Blick in eine geöffnete Plasmaanlage, deren Deckel als Vakuumkammer dient.
 

«Für eine andere Anwendung wurde ebenfalls eine smarte Lösung generiert», führt Jörg Eisenlohr, Geschäftsführer von plasma technology, aus. «Hier wurde die Kammer mit einer Doppeltür versehen. Die Anlage fungiert als Schleuse, das heisst, sie wird im Grauraum mit Teilen bestückt, die dann am Prozessende im Reinraum entnommen werden. Auf diese Weise ist der Materialfluss in eine Richtung sichergestellt, und der Beschichtungsanlage stehen immer partikelfreie, aktivierte Teile zur Verfügung.» Die Bauteile können sich bereits bei der Vorbehandlung im Plasma auf den Lackieraufnahmen befinden, so dass ein erneutes Handling entfällt.
Diese realisierten Anwendungen zeigen deutlich, dass die Niederdruckplasma-Technik weitaus mehr als «Standard». Sie stellt eine qualitativ hochwertige Möglichkeit dar, wenn es gilt, die Forderung «nicht nur sauber, sondern rein» in vollem Umfang zu erfüllen.
 
Literatur
[1] Domininghaus H.: Kunststoffe. P. Elsner, P. Eyerer und T. Hirth (Herausgeber), Springer Verlag, 8. Auflage (2012), S. 716
[2] Lake M: Oberflächentechnik in der Kunststoffverarbeitung. Hanser Verlag, 1. Auflage (2009), S. 132
 
Plasma technology GmbH
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