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08 Januar 2015 | Oberflächen POLYSURFACES 05/2014 | Galvanotechnik

Praktische Elektrolytkontrolle in der Galvanotechnik

Manfred Beck

Grosse Fortschritte in der Mikroelektronik und Sensorentechnik erlauben es heutzutage auch kleinen und mittleren Betrieben der galvanotechnischen Branche, moderne Analysenverfahren für die Qualitätssicherung und Prozesssteuerung von galvanischen Elektrolyten zu nutzen. Zur Überwachung der chemischen Zusammensetzung der Elektrolyte haben sich die unterschiedlichsten Verfahren etabliert.
Neben den klassischen elektrochemischen Methoden wie der Polarographie und der cyclischen Voltammetrie (CVS) haben sich ionensensitive Elektroden einen Platz in der automatisierten chemischen Analytik in den Galvanobetrieben erkämpft. Meistens den Fachfirmen vorbehalten ist der Einsatz der chromatographischen Methoden. Hier sind es vor allem die «Reversed-phase»-Hochleistungs-Flüssigkeitschromatograpie zur Bestimmung der organischen Additive und die Ionenchromatographie (IC).
 
Chemische und physikalische Parameter gleich gewichten
So zuverlässig und reproduzierbar diese Methoden in der Praxis einsetzbar sind, so deutlich ist auch ihr Nachteil. In den meisten Fällen liefern diese Methoden Einzelergebnisse und damit nur eingeschränkte Informationen zur praktischen Arbeitsweise der Elektrolyte. Die optimale Funktion der Elektrolyte ist aber immer das komplexe Zusammenspiel vieler verschiedener chemischer und physikalischer Einzelparameter. Eine optimale Funktion ist schlussendlich die Grundvoraussetzung für einen wirtschaftlichen und ökologischen Einsatz der benötigten Ressourcen.
Die chemischen Parameter lassen sich daher nur als Teil des Ganzen betrachteten. Die physikalischen Parameter müssen mit gleicher Gewichtung in eine Bewertung einbezogen werden. Dazu zählen unter anderem die Temperatur, die Strom- und Spannungsverteilung sowie die Hydrodynamik. Durch geschickte Kombination der chemischen und physikalischen Parameter ist es in den letzten Jahren gelungen, eine Vielzahl von speziellen Verfahrenssystemen mit genau definierten Schichteigenschaften zu entwickeln.
Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der praktischen Überprüfung der galvanischen Elektrolyte zu. Bei konstanter chemischer Zusammensetzung (tatsächlich ändern sich die Konzentrationen während der Elektrolyse) wird das Beschichtungsergebnis bei Variation der physikalischen Parameter bewertet. Wichtiges Hilfsmittel für diese Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist auch heute noch die Hull-Zelle nach R.O. Hull aus den dreissiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine trapezförmige Elektrolysezelle im Kleinmassstab. In der DIN 50957 sind zwei Grössen dieser Elektrolysezellen beschrieben. Am weitesten verbreitet ist die Version mit 250 ml Volumeninhalt. Die Zelle mit 1 l Füllvolumen hat sich nur in wenigen Bereichen durchsetzen können. In Bild 1 ist der schematische Aufbau in der Aufsicht dargestellt. Wichtigste Bestandteile neben der Anode (Minuspol) ist ein Kathodenblech (Pluspol).
 

Hull-Zell-Untersuchung von Nickelelektrolyten
Am Beispiel eines Nickelelektrolyten sei kurz die Arbeitsweise mit einer Hull-Zelle erläutert. Als Anodenmaterial wird Rein- beziehungsweise Elektrolytnickel, wie es auch bei der grosstechnischen Anwendung zum Einsatz kommt, verwendet. Als Kathodenmaterial werden im Fall des Nickelelektrolyten polierte Messingbleche in den passenden Abmessungen (100 x 67 mm) verwendet. Die Dicke der Testbleche beträgt etwa 0,5 mm. Wichtig dabei ist es, dass die Bleche sehr gut an die Zellenwand anliegen und wenig Abstand zulassen. Das am häufigsten verwendete Material für diese Art der Elektrolysezellen ist Polymethylmethacrylat (PMMA), auch als Plexiglas bekannt. Der Vorteil dieses Materials liegt in der Lichtdurchlässigkeit. Dadurch lassen sich die Abläufe an den Elektroden beziehungsweise im Elektrolyten auch optisch verfolgen.
Für den praktischen Test wird der Elektrolyt in die Elektrolysezelle eingefüllt. Falls notwendig erfolgt zuvor eine Temperatureinstellung auf die entsprechende Betriebstemperatur. Die Testbleche, im Falle von Nickel werden meistens Messingbleche verwendet, werden einer Standardvorbehandlung mit elektrolytischer Entfettung, Spülung und Dekapierung (Entfernung des alkalischen Films auf der Oberfläche) mit rund 5%iger Schwefelsäure unterzogen. Direkt im Anschluss werden diese in die Elektrolyse eingebracht und gut kontaktiert. Gemäss Schaltungsbild erfolgt die Stromzufuhr über einen geeigneten Gleichrichter (Bild 1). Die wichtigen Voraussetzungen für diese Geräte sind eine geringe Restwelligkeit und eine möglichst konstante Lieferung des benötigten Stroms. Durch Polarisation ändert sich der Widerstand im Elektrolyten. Im Falle des Nickelelektrolyten wird ein Strom von 2,5 A/Hull-Zelle für 10 min angewendet. Nach dieser Zeit werden die Testbleche gut gespült und meistens mit Druckluft abgeblasen und getrocknet. Die Auswertung erfolgt durch optische Beurteilung der Schicht über den angewendeten Stromdichtebereich.
 
Bild 1: Standard-Elektrolysezelle nach R.O.Hull.

 

Für die Standard-Hull-Zellen wurden die primären Stromdichtenverteilungen von R.O Hull experimentell ermittelt. In der Norm DIN 50957 wurden diese Werte auf SI-Einheiten umgerechnet. Für eine vereinfachte Auswertung wird meistens auf Lineale zurückgegriffen (Bild 2). Durch Anlegen der Testbleche bei der entsprechenden Stromstärke lässt sich dann ermitteln, welches Aussehen die Schichten bei verschiedenen Stromdichten zeigen. Ergänzend dazu kann an festgelegten Punkten auf der Oberfläche auch die Schichtstärke der aufgebrachten Schicht und der Glanzgrad (Reflexionsmessung) gemessen werden. Es sind damit drei Aussagen für die praktische Arbeitsweise bei gegebener Stromdichte möglich:
  • Optisches Erscheinungsbild
  • Schichtdicke
  • Objektiv ermittelter Glanzgrad
 
Auch Fehlerbilder durch Verunreinigungen sind sehr gut auf den Testblechen zu erkennen. Mit etwas praktischer Erfahrung kann auch die Rückseite der Testbleche für die Beurteilung herangezogen werden. Hull-Zellen haben damit ihren festen Platz in der Elektrolytkontrolle und Prozessüberwachung. Selbstverständlich werden auch für die Entwicklung neuer Elektrolyte und Verfahren Hull-Zellen sehr vielfältig und in verschiedenen Ausführungen eingesetzt.
 
Bild 2: Lineal zur Ermittlung der Stromdichte im Abstand von der Anode.
 

Weiterentwicklungen des standardisierten Versuchsaufbaus
Während der grundsätzliche Aufbau dieser Elektrolysezellen recht einfach gestaltet ist, zeigen sich im praktischen Einsatz verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten. Dies betrifft vor allem die Temperierung und die Reproduzierbarkeit der hydrodynamischen Verhältnisse. Diesen Herausforderungen hat sich das japanische Unternehmen Yamamoto-MS gestellt und die Hull-Zelle in ihrer klassischen Ausführung weiterentwickelt (Bild 3 und 4).
 
Bild 3: Temperierbare Hull-Zelle von Yamamoto mit Steuerungseinheit.
 

So konnte durch präzisen Einbau eines entsprechenden Heizelements die Temperierung des Elektrolyten optimiert werden. Veränderungen der Abscheideergebnisse durch Abkühlung der Prozesslösungen sind damit ausgeschlossen. Für Elektrolyte die zusätzlich noch eine starke Elektrolytbewegung benötigen, wurden verschiedene Möglichkeiten entwickelt. Neben einem mechanischen Paddel vor dem Kathodenblech sowie einer exakten Positionierung der Lufteinblasung, einschliesslich der Bohrungsdurchmesser wurde das Konzept der Hull-Zelle vollständig überarbeitet.
Ein weiteres Ziel der Entwicklungsarbeiten war der Ersatz der bisher üblichen Kombinationen von einfachen Hull-Zellen mit Magnetrührern. Bei diesen sehr häufig eingesetzten Versuchsaufbauten wird mit Hilfe des Magnetrührstäbchens eine mehr oder weniger starke Turbulenz direkt vor dem Testblech erzeugt. Dies wiederum führt zu wechselnden hydrodynamischen Verhältnissen und einer schlechten Reproduzierbarkeit. Die Interpretation der Testbleche gestaltet sich schwierig, in einigen Fällen sogar unmöglich. Diese Beispiele zeigen, dass noch Potenzial in der Entwicklung praxistauglicher Kontroll- und Überwachungsmethoden besteht.
 
Bild 4: Temperierbare Hull-Zelle von Yamamoto mit Steuerungseinheit und mit Paddelbewegung.
 

Der Hersteller hat für diese Anwendungen, auf Basis der temperierbaren Hull-Zelle, die so genannte «Smart-Hull Cell» entwickelt. Dabei wurden die Innenmasse der Hull-Zelle in den Standardmassen belassen. Zusätzlich wurde ein zweiter Boden mit entsprechender Höhe für die Aufnahme eines Magnet­rührstäbchens einschliesslich einer Bohrung eingefügt und eine zweite, etwas tiefer zugeschnittene Aussenwand gegenüber der Testblechseite. Dadurch vergrössert sich das effektive Volumen der Zelle, die Basisgeometrie jedoch bleibt gleich. Wie bisher kann die gesamte Hull-Zelle auf einem handelsüblichen Magnetrührer positioniert werden. Mit einem Magnetrührstäbchen entsprechender Grösse und eingefülltem Elektrolyt kann es schon losgehen. Durch Einstellen einer konstanten Rührgeschwindigkeit wird Elektrolyt vom Boden abgesaugt und über den Innenrand in die Hull-Zelle «geschwallt». Dadurch wird der gesamte Elektrolyt sehr gut umgewälzt ohne die lästige Nebenerscheinung einer zu starken Turbulenz vor dem Testblech. Gerade bei empfindlicheren Elektrolyten lassen sich so bessere Aussagen über die praktische Arbeitsweise des Elektrolyten gewinnen. Die Testbleche entsprechen in den meisten Fällen der effektiven Arbeitsweise und der Beschichtung auf den Werkstücken (Bild 5).
 
Bild 5: «Smart-Hull Cell».
 

Ausblick
Das Unternehmen Yamamoto-MS hat sich vollständig der Entwicklung und Verbesserung von Test- und Kleingalvanisiergeräten für hochspezifische Anwendungen verschrieben. In den letzten Jahren wurden mit grossem Erfolg Anlagen für die Wafer-Beschichtung entwickelt, die eine grosse Verbreitung im asiatischen Raum gefunden haben.
 
Literatur
Hull R.O.: Current Density Range Characteristics, their Determination and Application. Am. Electroplaters Soc. 27 (1939), S. 52
DIN 50957 (01.78): Prüfung galvanischer Bäder; Galvanisierprüfungen mit der Hull-Zelle, allgemeine Grundlagen
Andrle C., Jelinek T. W.: Hull-Zelle zur Untersuchung von galvanischen Elektrolyten. 1. Auflage, 2007
Yamamoto-MS: Hull Cell. Technical Information Book, 2012
 
Manfred Beck
Leitung Chemie und Verkauf
ERNE surface AG
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