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02 August 2016 | Oberflächen POLYSURFACES 02/2016 | Industrielackieren

Radikal vernetzt

Doris Schulz

UV-Lacke ermöglichen eine sekundenschnelle Aushärtung der Lackschicht. Zur kurzen Verarbeitungszeit gesellen sich noch weitere ökonomische, ökologische und qualitative Vorteile. Kein Wunder also, dass sich die UV-Technologie auf dem Vormarsch befindet. Die «PaintExpo» informiert unter anderem über neuste Entwicklungen bei der Anlagen- und Aushärtetechnik sowie bei Lacken.
Unter ultravioletter Strahlung in wenigen Sekunden aushärtende UV-Lacke verbinden ökologische und wirtschaftliche Vorteile. Dazu zählen beispielsweise deutlich kürzere Prozesszeiten und dadurch höhere Produktionsgeschwindigkeiten sowie einfache Integration in automatisierte Fertigungslinien. Der Wegfall langer, energieintensiver Trockner und nachgeschalter Kühlzonen verringert den für die Lackierung erforderlichen Flächenbedarf und die Investitions- und Betriebskosten sowie den Energieverbrauch. Nicht zuletzt entstehen bei der UV-Lackierung deutlich weniger oder überhaupt keine VOC-Emissionen. Dazu kommen qualitative Aspekte wie ein hoher Glanzgrad, hohe Widerstandfähigkeit und Kratzfestigkeit der Oberfläche.
 
Die Aushärtung unter Inertgasatmosphäre ermöglicht es, komplexere dreidimensionale Bauteile wie beispielsweise Lw-Achsen komplett mit UV-Lacken zu beschichten und zu vernetzen.
(Bild: Sturm Maschinen- und Anlagenbau GmbH)

 

Vorteile in die dritte Dimension bringen
In der Druckindustrie sowie bei der Giess- und Spritzbeschichtung geometrisch einfacher, zweidimensionaler Objekte, beispielsweise Karton, Bleche und Holzwerkstoffe, gehören UV-Lacke daher seit Jahrzehnten zum Beschichtungsalltag. Für die industrielle Beschichtung dreidimensionaler Teile aus Metall und Kunststoff gewinnt die UV-Technologie in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. So kommen UV-vernetzende Beschichtungen beispielsweise als Korrosionsschutz für Bremsscheiben und -trommeln, Dieseleinspritzpumpen, für Stahlrohre und Musikinstrumente, in der Kosmetik- und Hausgeräteindustrie sowie bei Kunststoffbehältern zum Einsatz.
 
Das dreidimensionale Interieurteil aus einem ABS wird mit einem lösemittelfreien 100%-UV-Klarlack beschichtet und unter Inertgasatmosphäre vernetzt. (Bild: Lankwitzer)

 

Dafür musste eine entscheidende Herausforderung gemeistert werden: Die in der Industrie überwiegend eingesetzten radikalistisch aushärtenden Lacksysteme benötigen für die Polymerisation eine direkte Bestrahlung mit UV-Licht. Es regt den in der Lackformulierung enthaltenen Fotoinitiator an, der dadurch freie Radikale bildet. Diese wiederum reagieren mit den weiteren Lackbestandteilen und führen bei Raumtemperatur innerhalb weniger Sekunden zur Aushärtung des Lackfilms. Optimal dabei ist es, wenn ein geringer und gleichmässiger Abstand zwischen Substrat und UV-Strahlern erreicht wird. Daraus resultiert: für die Beschichtung komplexerer dreidimensionaler Geometrien sind weitere Lösungen erforderlich.
 
Neue Entwicklungen in Bereich der Anlagetechnik und bei Lacken erweitern das Anwendungsspektrum der UV-Technologie in der Industrie kontinuierlich. (Bild: Sprimag)

 

Aushärtung unter Inertgasatmosphäre
Dazu zählt auf der Anlagenseite die UV-Härtung unter Inertgasatmosphäre; entsprechende Anlagen werden von verschiedenen Herstellern angeboten. Die durch den Einsatz von beispielsweise CO2 oder Stickstoff-Sauerstoff reduzierte Atmosphäre verhindert, dass die für die Polymerisation erforderlichen Radikale mit dem Sauerstoff der Luft reagieren und es zu einer so genannten Sauerstoffinhibierung kommt. Dadurch kann in grösseren Abständen ausgehärtet werden und auch Bereiche, die deutlich weniger UV-Strahlung erhalten, härten besser durch. Dies ermöglicht in der Automobilindustrie unter anderem die komplette UV-Lackierung und -Vernetzung von Lw-Achsen, Stossfängern, Türen, Motorhauben und Autodächern.
Neben Gasentladungsröhren kommen für die Aushärtung von UV-Lacken inzwischen auch LED-Strahler zum Einsatz. Zu den Vorteilen dieser Aushärtetechnik zählt beispielsweise, dass sie durch ihr kaltes Licht die Temperaturbelastung von Substrat und Anlage verringert. Punkten können LED-Strahler darüber hinaus durch ihre sofortige Betriebsbereitschaft ohne Standby-Betrieb. Zudem enthalten LED kein Quecksilber oder erzeugen kein Ozon. Um dreidimensionale Bauteile damit aus allen Richtungen sowie bei konstantem Abstand und konstanter Belichtungszeit optimal auszuhärten, wird die LED-Technik auch mit Robotern kombiniert.
Im Gegensatz zu herkömmlichen UV-Strahlern erzeugen UV-LED-Aushärtesysteme monochromatisches Licht. Dadurch steht nur ein schmales Wellenfenster zur Verfügung, wodurch andere Lackformulierungen erforderlich sind, beispielsweise die Anpassung der Fotoinitiatoren und Pigmentabsorption an das Emissionsspektrum.
 
Wie schnell und wie stark die Polymere vernetzen, hängt von den Faktoren UV-Spektrum, -Intensität, -Dosis (Bestrahlungsdauer) und Atmosphäre während der Vernetzung ab.
(Bild: Dr. Hönle AG)

 

Unterschiedliche Lacksysteme
Bei so gennannten «Mono-Cure»- oder 100%-UV-Systemen handelt es sich um lösemittelfreie Lacke, die ausschliesslich unter UV-Licht vernetzen. Diese Lacke lassen sich unmittelbar nach dem Lackauftrag vernetzen und anschliessend weiterverarbeiten. Im Gegensatz dazu bestehen «Dual-Cure»-Systeme aus einem UV-härtenden Teil und einem Anteil, der mit einem Härter reagiert. Sie werden sowohl unter UV-Strahlung als auch konventionell thermisch getrocknet. Dadurch bieten «Dual-Cure»-UV-Lacke den Vorteil, dass sie auch in Bereichen aushärten, die von keiner oder nur einer verminderten UV-Strahlung erreicht werden. Allerdings enthalten diese Lacke in der Regel einen mehr oder weniger hohen Lösemittelanteil.
 
Bei alternativ erzeugten verchromten oder metallisierten Kunststoffoberflächen spielen UV-Lacke als Schutz gegen chemische und mechanische Belastung ebenfalls eine Rolle. (Bild: Berlac)

 

Ebenso wie auf der Anlagenseite ermöglichen neue Entwicklungen im Lackbereich ein immer grösseres Einsatzspektrum. So wurde beispielsweise ein lösemittelfreier 100%-UV-Klarlack für die Beschichtung von ABS-Kunststoffteilen im Fahrzeug-Interieurbereich entwickelt, der die Werksnormen verschiedener OEM erfüllt. Entsprechende Test haben gezeigt, dass mit diesem «Mono-Cure»-100%-System eine deutlich höhere Kratzfestigkeit erzielt wird als mit wässrigen oder lösemittelhaltigen beziehungsweise «Dual-Cure»-Systemen, die hier im Serieneinsatz sind. Weitere neue und optimierte Lackentwicklungen für die UV-Technologie werden von verschiedenen Herstellern auf der «PaintExpo» vorgestellt.
Als Alternative zu herkömmlich verchromten beziehungsweise metallisierten Kunststoffoberflächen spielen UV-Lacke ebenfalls eine Rolle – und das nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch bei Haushaltgeräten, Mobiltelefonen und Kosmetikverpackungen. Die Verchromung/Metallisierung erfolgt dabei durch eine PVD-Beschichtung oder konventionell galvanisch. Um den Metallfilm anschliessend zu schützen, stehen UV-Lacke zur Verfügung.
 
Internationale Leitmesse für industrielle Lackiertechnik
Die «PaintExpo» (19. bis 22. April 2016 auf dem Messegelände Karlsruhe) deckt die gesamte Prozesskette der Lackiertechnik ab und bietet einen umfassenden Überblick über die neusten Entwicklungen für das Nasslackieren, Pulverbeschichten und Coil Coating von der Vorbehandlung bis zur Qualitätskontrolle. Das Ausstellungsspektrum umfasst Anlagen- und Applikationstechnik, Lacke, Trocknungs- und Vernetzungssysteme, Transportsysteme, Automatisierungslösungen und Lackierroboter, Vorbehandlung, Test- und Messtechnik, Qualitätskontrolle, Umwelt- und Filtrationstechnik, Zubehör, Verbrauchsmaterialien, Dienstleistungen, Entlacken und Fachliteratur. An dieser internationalen Leitmesse für industrielle Lackiertechnik nehmen nahezu alle führenden Anbieter teil. Das umfassende und repräsentative Angebot ermöglicht die gezielte und detaillierte Information sowie den direkten Vergleich unterschiedlicher Systeme und Verfahren an einem Ort.
 

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