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13 April 2012 | Oberflächen POLYSURFACES 02/2012 | Analytik

Schnelle prozessbegleitende Oberflächenanalyse

Gerhard Tschopp, Marcel Baak, Elisa Barisone und Thomas Nelis

Elektrische Gasentladungen in ihren verschiedenen Formen spielen eine wichtige Rolle in der Industrie und der Forschung und umgeben uns auch im Alltag. Plasmareaktoren werden bei Dünnschichtverfahren zum Beispiel in der Halbleiterindustrie angewendet. Der Einsatz von Mikroplasmen für medizinische Anwendungen ist derzeit ein wichtiges Forschungsgebiet, und Kompakt-Fluoreszenzlampen werden verstärkt zur Lichterzeugung in Haushalten benutzt. Zur chemischen Analyse von Feststoffen werden sie, als Bogen-, Funken- und Glimmentladung seit mehr als 100 Jahren eingesetzt.
Spektroskopie beruht auf der Quanteneigenschaft von Atomen, in denen Elektronen nur bestimmte diskrete Energieniveaus einnehmen. Diese Energieniveaus sind spezifisch für jedes Element. Beim Übergang von einem energetisch höher gelegenen Niveau in ein niedrigeres werden Energiequanten in Form von Photonen ausgesendet. Das Photonenemissionsspektrum eines Elements ist also eine ihm spezifische Eigenschaft, die zu seiner Identifizierung benutzt werden kann. Spektroskopische Methoden nutzen diese Eigenschaft von Atomen und Molekülen, um ihre Anwesenheit und Dichte in den zu untersuchenden Systemen, mögen es Sterne oder Trinkwasserproben sein, zu bestimmen.

Von der Glimmentladung…
Gase sind in der Regel Nichtleiter. Um eine Gasentladung zu erzeugen, also den Transport von Ladungsträgern durch das nicht leitende Medium Gas zu erreichen, muss ein elektrisches Feld von ausreichender Stärke angelegt werden. Dann können die freien Ladungsträger, die durch Rekombination verloren gegangen sind, durch Ionisationsprozesse im elektrischen Feld wieder neu erzeugt werden. Gasentladungen können die verschiedensten Formen annehmen. Hier seien nur die Corona-Entladung, die normale und abnormale Glimmentladung und die Bogenentladung erwähnt.
Zur analytischen Glimmentladungsspektroskopie wird die abnormale Glimmentladung benutzt, da hier die Leistungsdichte ausreichend hoch ist, um das Probenmaterial zu sputtern und ausreichend Photonen zum Elementnachweis zu erzeugen. Die kontinuierliche Bogenentladung wird heute kaum noch eingesetzt, da sie schwer zu stabilisieren ist. In der Funkenspektrometrie wird die gepulste Bogenentladung aber mit grossem Erfolg in der Routineanalyse von metallischen Proben eingesetzt.
Um den Erfolg der Glimmentladungsspektroskopie zu verstehen, ist es notwendig, sich die Geometrie einer Glimmentladung anzusehen. Beobachtet man den Raum zwischen den beiden Elektroden einer einfachen Entladungsröhre, mit zwei planparallelen Elektroden, so stellt man ein interessantes Wechselspiel von hellen und dunklen Bereichen fest, das für alle Glimmentladungen typisch ist (Bild 1). Man beobachtet im Wesentlichen zwei räumlich getrennte leuchtende Bereiche: Das negative Glimmlicht (B) in der Nähe der Kathode (negativ) und die positive Säule (C), die den restlichen Raum zwischen dem negativem Glimmlicht und der Anode (positiv) einnimmt. Diese beiden Bereiche sind jeweils von dunklen Bereichen umgeben. Die positive Säule spielt bei der Lichterzeugung in Leuchtstoffröhren eine wichtige Rolle, interessiert uns aber in der analytischen Spektroskopie nicht. Für die GDOES ist der kathodennahe Raum wesentlich, denn das Probenmaterial wird als Kathode der Entladung benützt.
Bild 1: Schematische Darstellung einer Glimmentladung.

 
Elektronen, die an der Kathodenoberfläche freigesetzt werden, werden vom elektrischen Feld in Richtung Anode beschleunigt; sie gewinnen kinetische Energie. Diese Energie können sie durch inelastische Stösse an die umgebenden Gasatome abgeben. Da diese Stösse zum Teil ionisierend sind, werden weitere freie Ladungsträger, Elektronen und Ionen, erzeugt. Die Elektronen werden weiter in Richtung Anode beschleunigt und die Ionen in Richtung Kathode und weitere ionisierende Stösse folgen. Durch diesen Lawineneffekt nimmt die freie Ladungsträgerdichte zu. Das ursprünglich nicht leitende Gas wird leitend, und wir haben ein Plasma erzeugt, eine Mischung aus neutralen Gasatomen und frei beweglichen Ladungsträgern. Nun ist der Innenraum von Leitern feldfrei, da jedes elektrische Feld zu einer Verschiebung der Ladungsträger führt, die das äussere elektrische Feld abschirmt. Ohne in die faszinierenden Details der Plasmaphysik zu gehen, können wir also darauf schliessen, dass sich das elektrische Feld, was durch die Potentialdifferenz zwischen Kathode (negativ) und Anode (positiv) erzwungen wird, auf die räumlichen Bereiche, in denen die Ladungsträgerdichte niedrig ist, beschränken muss. Dies erklärt den Kathodenfall (A in Bild 1), der Raum zwischen Kathode und der negativen Säule. Hier herrscht auf kleinem Raum ein starkes elektrisches Feld, Elektronen werden von der Kathode abgestossen und Ionen zur Kathode hin beschleunigt. In der negativen Säule ist die Ladungsträgerdichte hoch, sie ist also feldfrei. Die Elektronen verlieren durch Stösse ihre kinetische Energie und tragen somit zu Erzeugung des charakteristischen Glimmens bei.

… zur «Grimmentladung»
Die Grimm’sche Entladungsröhre (Bild 2) hat eine geniale, einfache Elektrodenanordung. Die Kathode wird von der Probe gebildet. Diese muss deshalb eine flache Oberfläche aufweisen. Die Anode wird von einem Kupferrohr gebildet, das direkt gegenüber der Probenoberfläche angebracht wird. Der Innendurchmesser des Anodenrohrs ist zwischen 2 und 8 mm, je nach Anwendung.

Bild 2: Darstellung einer «Grimm»-Entladungsquelle.

 
Der Abstand zwischen der flachen Probenoberfläche (d in Bild 2) und dem Anodenrohr beträgt etwa 150 µm. Bei einem Gasdruck von 2 bis 10 hPa ist damit das Produkt p*d klein genug, um eine Entladung in diesem Zwischenraum zu verhindern. Das elektrische Feld ist hier zwar gross, so dass Ladungsträger stark beschleunigt werden. Die Anzahl der Stösse ist aber zu klein, um auf der kurzen Strecke zu einer lawinenartigen Entwicklung der Ladungsträgerdichte zu führen. Dies führt dazu, dass die Entladung auf das Innere des Anodenrohrs beschränkt ist. Die aktive Kathodenoberfläche ist begrenzt, die Bedingungen für eine abnormale Glimmentladung sind ideal.
Das negative Glimmlicht, ein Plasma, entwickelt sich also im Inneren des Anodenrohrs. Dieser Bereich ist, wie vorstehend erwähnt, frei von elektrischen Feldern. Es entsteht also eine Situation, die dem Plattenkondensator ähnlich ist. Es stehen sich zwei leitende Oberflächen gegenüber, die auf sehr unterschiedlichem elektrischem Potential sind. Im Zwischenraum bildet sich der Kathodenfall (D in Bild 2), in dem die Elektronen und Ionen beschleunigt werden. Er hat eine Tiefe von 200 bis 400 µm. Der wesentliche Unterschied zum Plattenkondensator besteht darin, dass das Plasma eine Ionenquelle ist. Das elektrische Feld saugt ständig einige Ionen aus dem Plasma, die dann in Richtung Kathode beschleunigt werden und dort Material von der Kathodenoberfläche sputtern. Durch eine geeignete Wahl des Gasdrucks, ist es möglich, die Dichte der Ladungsträger innerhalb des Plasmas so zu gestalten, dass das elektrische Feld und die Ionenstromdichte homogen werden, und ein flacher Krater entsteht. Damit sind die Bedingungen für eine erfolgreiche Tiefenprofilanalyse gegeben.

Applikationen
Nitrokarburieren/Härten
Nitrokarburieren ist ein thermochemisches Verfahren zum Anreichern der Randschicht eines Werkstücks mit Stickstoff und Kohlenstoff. Das Ergebnis der Behandlung ist eine verschleiss- und korrosionsbeständige Schicht, bestehend aus Verbindungs- und Diffusionsschicht. Diese beiden Schichten können komplementär zu einer Schliffanalyse mittels GDOES-Analyse in optimaler Weise sichtbar gemacht werden, wobei der typische N- und C-Verlauf (blaue beziehungsweise orange Kurve in Bild 3) als wichtigstes Gütekriterium gilt.

Bild 3: Stahl 16MnCr5 nitrocarburiert.
 
Beschichtung
Ein weiteres Beispiel zeigt exemplarisch eine thermochemische Behandlung einer Stahloberfläche, wobei die Chromschicht zusätzlich mit Stickstoff angereichert worden ist. Auch hier ist die GDOES-Analysemethode prädestiniert, um rasch und quantitativ die Zusammensetzung und Dicke der Schicht aufzeigen zu können (Bild 4).

Bild 4: Mit Chrom beschichtete Stahloberfläche mit Stickstoffanreicherung.

 

Ing. chem. ETS Gerhard Tschopp
Dr. rer. nat. Marcel Baak
Dipl. Physikerin Elisa Barisone
Berner Fachhochschule
Quellgasse 21
2501 Biel
Tel. 032 321 64 17
Fax 032 321 65 00
marcel.baak@bfh.ch
www.ti.bfh.ch

Dr. rer. nat. Thomas Nelis
CURF Jean François Champollion
Place de Verdun
F-81000 Albi