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07 Kann 2015 | Oberflächen POLYSURFACES 01/2015 | Sécurité au travail

Wissen und Anschauungsunterricht

Stefan Kühnis

Der Tagungsleiter Matthias Mettke, Gefahrgut- und Gefahrstoffexperte der Swiss TS, begrüsste die Teilnehmenden zum Gefahrstofftag Schweiz in der Umwelt Arena in Spreitenbach. Die Veranstaltung fand nun bereits zum vierten Mal statt und entwickelte sich in vielen Agenden zu einem Pflichttermin. Der Themenschwerpunkt war die Lagerung von gefährlichen Stoffen. Matthias Mettke wies einleitend auf die wichtigsten bevorstehenden Termine im Chemikalienrecht hin, beispielsweise auf die Anpassung des Anhangs 7 der Chemikalienverordnung (ChemV 154 Stoffe) und die dort aktualisierte Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe. oder auf die Totalrevision der Chemikalienverordnung und damit auf die baldige Verbindlichkeit der GHS-Kennzeichnungen auch für Gemische und Zubereitungen. Zudem erwähnte er verschiedene Anpassungen im Anhang 1.10 der Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung und im Anhang 2 der Biozidprodukteverordnung sowie die Revision der Störfallverordnung.
 
Tagungsleiter Matthias Mettke, Swiss TS.


Melde- und Bewilligungspflichten
Jürg Mühlemann, Sektionsleiter Tankanlagen und Transportgewerbe des Amts für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, widmete sein Referat der Melde- und Bewilligungspraxis von Lageranlagen mit wassergefährdenden Flüssigkeiten. Diese Praxis kann sich von Kanton zu Kanton leicht unterscheiden. Jürg Mühlemann erläuterte, was unter einer Lageranlage genau verstanden wird, welche Arten und Mengen davon es im Kanton Zürich überhaupt gibt und welche Melde- und Bewilligungspflichten für die unterschiedlichen Anlagentypen gelten. Dabei betonte er: «Ist eine Anlage bewilligungspflichtig, gibt es auch eine offizielle Kontrollpflicht, das heisst sie müssen alle zehn Jahre einer Sichtkontrolle unterzogen werden. Jedes Jahr bieten wir rund 2000 Eigentümer dazu auf.» Meldepflichtige Anlagen unterliegen nur der Eigenverantwortung und ein aktiver Vollzug findet nicht statt. Doch auch hier empfiehlt das AWEL eine Sichtkontrolle im Abstand von zehn Jahren. «In der Praxis findet diese aber häufig nicht oder viel zu spät statt. Bei Stichproben gibt es oft Beanstandungen, teilweise wurde seit 20 Jahren überhaupt nichts gemacht, und manchmal ist ein Tank gar nicht mehr dort, weil die Abmeldung verpasst wurde», sagte Jürg Mühlemann. «Wir sind über diese Situation nicht nur glücklich.»
 
Gefahrstofflager
Marcel Lehnherr, Leiter Sicherheit und Umweltschutz der Roche Diagnostics International Ltd, nahm den Geltungsbereich und die Einrichtung von Gefahrstofflagern in den Fokus. Er betonte, wie wichtig nicht nur Gesetze und Verordnungen, sondern auch Richtlinien und Leitfäden sind: «Wer sich nicht mit allem beschäftigt und Richtlinien nicht beachtet hat, der hat nach einem Schadenfall schlechte Karten.» Als zentrales Element der Gefahrstofflagerung sieht Marcel Lehnherr ein gutes Lagerkonzept: «Es hält die Kosten tief und hilft, dass nichts vergessen geht, zum Beispiel ein nur sehr teuer nachrüstbarer Löschwasserrückhalt. Zudem unterstützt es die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, definiert Vorgehensweisen, optimiert die Schutzmassnahmen und ist bei Baubewilligungen eine Beurteilungsgrundlage für die Behörden.» Eine Beschreibung der örtlichen Verhältnisse, die Art und Menge der gelagerten Stoffe und deren Lagerklasse sowie bauliche, technische und organisatorische Massnahmen gehören in jedes Lagerkonzept.
Doch damit ist es noch nicht getan. Nach einem erstellten Konzept gilt es, den Betrieb durch regelmässige Sicherheitsrundgänge und Audits zu überwachen und bei jeder Änderung zu kontrollieren und neu zu beurteilen. «Ein Gefahrstofflager bleibt nie gleich, Stoffe und Prozesse verändern sich immer wieder», betonte Lehnherr. «Auch die aus den Prozessen entstehenden Sonderabfälle und deren sichere Lagerung gilt es zu beachten.» Er zeigte Spannungsfelder auf und erläuterte anhand von Beispielen verschiedene mögliche Gefahren und deren Folgen. Wer ein Lagerkonzept und dessen regelmässige Kontrolle und Beurteilung vernachlässige, der riskiere Personen-, Umwelt- und Sachschäden, Produktionsausfälle, Wiederherstellungskosten, den Ruf des Unternehmens sowie rechtliche Konsequenzen, Verfahren und Bussen.
 
«Explosionen und der Schutz davor» waren die Themen des Experimentalvortrags von Markus von Arx und Patrick Thali, Suva.

 
Die VKF-Richtlinie
Die Relevanz von Richtlinien unterstrich auch Thomas Wohlrab, Leiter der Feuerpolizei Kanton Basel-Stadt und Kantonaler Brandschutzexperte der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen). Er ist Mitautor der VKF-Richtlinie «Gefährliche Stoffe», die aktuell verschiedene Anpassungen erfuhr. Thomas Wohlrab erklärte den Teilnehmenden, welche Änderungen für sie wesentlich und wissenswert sind. «Einige Teile haben wir aus ihr entfernt, andere haben wir präzisiert. Wichtig ist, dass die Richtlinie sowohl den Nutzern als auch den Feuerpolizisten bei der Beurteilung ihrer jeweiligen Situation helfen kann«, sagte er. «Ich denke, das haben wir mit den aktuellen Anpassungen geschafft.»
Einige Beispiele: In der neuen Richtlinie wurde der Geltungsbereich, bis auf eine Ausnahme, auf Mengen ab hundert Kilogramm festgelegt. Sie kennt zudem neu definierte Gebäudehöhen, führt die unterschiedlichen Klassierungen auf, beschreibt allgemeine Anforderungen zur Risikoanalyse und zum Explosionsschutz und geht zu zusätzlichen Anforderungen näher ins Detail. Auch enthält sie weiterhin einen Teilbereich zu pyrotechnischen Gegenständen. Thomas Wohlrab betonte, dass ihm vor allem die Punkte Risikoanalyse und Explosionsschutz ein grosses Anliegen sind: «Schon bei sehr kleinen Risiken lohnt sich eine Risikoanalyse, und sie darf auch simpel sein. Sie soll aufzeigen, welche Gefahren es eigentlich gibt, was man dagegen tut, wie man ein Ereignis verhindern kann und was man macht, wenn doch etwas passiert.» Er hofft, dass dank der neuen Richtlinie die teils unübersichtliche Flut an Merkblättern und Speziallösungen abnimmt. Sonderfälle wird es jedoch weiterhin geben. «Selbst wir können nicht immer jeden Fall sofort beantworten, sondern müssen gewisse Dinge eine Weile lang abwägen und darüber nachdenken», sagte Wohlrab. «Genieren sie sich nicht, uns Fragen zu stellen. Wir sind immer darauf bedacht, einen Weg zeigen zu können, wie man rasch zu einer guten und vernünftigen Lösung kommen kann.»
 
Die Experimente
Nach dem Mittagessen machten Markus von Arx, Sicherheitsingenieur und Arbeitshygieniker des Bereichs Chemie der Suva, und sein Kollege Patrick Thali vom Bereich Analytik im Tagungsraum ordentlich Feuer und liessen es so richtig krachen. Explosionen und der Schutz davor waren die Themen ihres Experimentalvortrags. Etwas Theorie war dennoch nötig. So erläuterte Markus von Arx beispielsweise welche Voraussetzungen es für eine Explosion braucht und wie geeignete Schutzmassnahmen aussehen. «Wir unterscheiden zwischen vorbeugendem und konstruktivem Explosionsschutz», sagte er. In dieser Reihenfolge gelte es, die Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre zu vermeiden oder einzuschränken, potenzielle Zündquellen zu vermeiden und die Auswirkungen einer Explosion auf ein unbedenkliches Mass zu begrenzen. Dabei stehe immer der Schutz des Menschen im Vordergrund.
Stets mit Beispielen aus der Praxis verbunden erläuterte Thomas von Arx verschiedene Ausgangslagen, die entsprechenden Gefahren, den jeweiligen Ablauf der Szenarien und die passenden Schutzmassnahmen. Patrick Thali untermauerte diese Geschichten und Theorien mit eindrücklichen Experimenten. Die beiden taten dies sowohl für Situationen, die jedermann betreffen – wie rund um Gasflaschen für Gasgrills, die bei einer Explosion leicht einen zwölf Meter hohen Feuerball verursachen können – als auch für ganz spezielle Arbeitseinsätze. Sie stellten unterschiedliche Brennstoffe und ihre Eigenschaften vor und zeigten, in welchen Explosionsbereichen, also den unterschiedlichen Verhältnissen von Luft und Dampf, diese gefährlich werden.
Während diesem breiten Anschauungsunterricht knallte es ziemlich häufig und besonders in den ersten Reihen wurde es gelegentlich auch richtig warm. Einige Experimente regten zur Nachahmung an, doch Thomas von Arx warnte: «Sie sollten keines zu Hause durchführen. Denn Verbrennungen sind die mit Abstand schlimmsten Verletzungen. Sie schmerzen ungemein, und sollte die Verbrennung an sich noch nicht tödlich sein, so kann sie zusätzlich Zellgifte entwickeln, an denen man noch nach Tagen sterben kann. Das ist sehr brutal.»
 
Ausblick
Der 5. Gefahrstofftag Schweiz wird am 12. November 2015 stattfinden. Die Themen sind noch offen und Tagungsleiter Matthias Mettke freut sich über Vorschläge, die er auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden abstimmen kann. Das detaillierte Programm wird dann im Juli 2015 erscheinen und unter www.gefahrstoff.ch erhältlich sein.
 
Mehr über Swiss TS
Die Swiss TS Technical Services AG ist die gemeinsame Tochter des SVTI und des TÜV SÜD sowie Teil des Kompetenzzentrums für technische Sicherheit und Risikomanagement der SVTI-Gruppe. Das Unternehmen bietet eine umfassende Dienstleistungspalette auf dem Gebiet der Sicherheits- und Umwelttechnik aus einer Hand an. Von sicherheitstechnischen Prüfungen, Konformitätsbewertungen, CE-Kennzeichnung und Zertifizierungen, Dienstleistungen in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gefahrgut über Begutachtungen und Expertisen bis zur Aus- und Weiterbildung. Die Kunden profitieren, nebst dem vielfältigen Angebot, auch von der internationalen Vernetzung der Swiss TS. Sie ist akkreditiert und von der EU anerkannt als benannte Stelle für die Konformitätsbewertung von Druckgeräten und Medizinprodukten (CE1253).
 

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