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28 may 2020 | La Revue POLYTECHNIQUE

Lackieranlage der Zukunft: Weg von der Linie, hinein in die Box

Beim neuen Konzept von Dürr wird die industrielle Automobillackierung erstmalig auf Boxen oder kurze Prozessabschnitte verteilt. Dadurch kann die Automobilindustrie wesentlich flexibler lackieren. Darüber hinaus spart die «Lackieranlage der Zukunft» Zeit und Material, erhöht die Verfügbarkeit und macht das Lackieren nachhaltiger.

Neuer Ansatz in der Automobillackierung
Modellpaletten und Applikationsprozesse werden immer vielfältiger. Doch je breiter das Spektrum, das auf einer Linie lackiert wird, desto ineffizienter ist der Prozess. Das liegt an den starren Taktzeiten, die sich am grössten Modell und dem Lack mit der längsten Applikationszeit orientieren. Könnten kleinere Karosserien schneller transportiert und leichter applizierbare Farben zügiger aufgetragen werden, würde das Zeit sparen und den Output erhöhen. Doch dies lässt der fixe Takt der Linie nicht zu. Dieser Aspekt war einer von vielen, der Dürr dazu bewog, umzudenken und ein radikal neues Layout für künftige Anforderungen zu entwickeln.
«Mit der Lackieranlage der Zukunft denkt Dürr den Lackierprozess neu und überwindet die Grenzen der starren Produktionslinie», erläutert Bruno Welsch, Vorstandsmitglied der Dürr Systems AG. «Der neue Ansatz passt sich den Bedürfnissen der Hersteller an und ermöglicht einen flexiblen und effizienten Lackierprozess in jedem Produktionsszenario.»
 
Die Lackieranlage der Zukunft ist ein modulares Konzept mit Boxen, die individuell angesteuert werden. Es ermöglicht eine einfache Anpassung der Produktionskapazität an alle Szenarien. (Bilder: Dürr Systems AG)
 

Taktzeiten nach Bedarf
Die «Lackieranlage der Zukunft» basiert darauf, die rund 120 Arbeitsschritte des Lackierprozesses in Boxen und kleinere Abschnitte aufzuteilen. Statt eines festen Takts werden die Prozesszeiten in jeder Box exakt an den Bedarf der einzelnen Karosserie angepasst. Möglich ist dies durch parallel ablaufende Prozesse in den Boxen und durch das Zusammenspiel mit einem zentralen Hochregallager und dem fahrerlosen Transportsystem «EcoProFleet», dem ersten speziell für Lackierereien entwickelten AGV (Automated Guided Vehicle).
Gesteuert wird die AGV-Flotte durch die Software «DXQcontrol» von Dürr. Sie führt das AGV mit der Karosserie intelligent zum jeweils nächsten Prozess und sichert eine effiziente Auslastung aller Boxen. So können die Karosserien vorausschauend sortiert, punktgenau zum richtigen Arbeitsplatz gebracht und abgeholt sowie am Ende in der vom Hersteller geplanten Sequenz an die Endmontage übergeben werden. Das Konzept erlaubt es auch, Kapazitäten einfach zu erweitern oder neue Modelle problemlos einzuschleusen. Anwendbar ist das revolutionäre Boxenkonzept im gesamten Decklack- und Arbeitsplatzbereich oder nur in ausgewählten Prozessschritten.

 

Das AGV «EcoProFleet» kommt als flexible Fördertechnik in der Lackieranlage der Zukunft zum Einsatz.

 
Weniger Ressourcen, mehr Effizienz

In der konkreten Umsetzung bedeutet das Boxenkonzept beispielsweise, drei Lackiervorgänge – den Innen- und die beiden Aussenaufträge – in nur einer Kabine zusammenzufassen. Dieses von Dürr zum Patent angemeldete Konzept, die «EcoProBooth», hilft, Prozesszeit einzusparen, da zwei der drei bisher üblichen Fördervorgänge entfallen. Die Verluste beim Farbwechsel lassen sich sogar um bis zu 10 % reduzieren, wenn in einer Box ausschliesslich eine Farbe appliziert wird. Das Aufteilen des Lackierprozesses auf Boxen verkürzt den Gesamtprozess, da die Applikationszeit auf das einzelne Fahrzeug abgestimmt ist. Diese Eigenschaften sorgen in Summe für reduzierte CO2- und VOC-Emissionen.
Auch die Gesamtanlagen-Verfügbarkeit steigt, denn eine Störung wirkt sich nur in dem betroffenen Boxenabschnitt aus und beeinträchtigt – anders als bisher – nicht die komplette Produktionslinie. In das variable Layout lassen sich zudem Sonderprozesse, wie eine Sonderfarbversorgung oder die oversprayfreie Zweiton-Lackierung, leichter und kosteneffizienter integrieren.


Für grosse wie kleine Produktionen adaptierbar
Das Konzept der «Lackieranlage der Zukunft» ist auf die spezifischen Anforderungen unterschiedlicher OEM ausgerichtet. Grossen Volumenherstellern mit hoher Stundenleistung bietet es die Chance, neue Modelle und Technologien einfacher zu integrieren. Unternehmen, die Investitionsrisiken vermeiden wollen, ermöglicht es eine planbare Erweiterung von 24 Einheiten pro Stunde in zwei Schritten auf 48 und 72 Einheiten. E-Mobility-Newcomer können ihre Fertigung mit kleinen Stückzahlen starten und entsprechend der Nachfrage schrittweise ausbauen. Zudem ist das modulare Konzept Industrie-4.0-fähig. Mithilfe der Software-Produkte aus der DXQ-Familie von Dürr wird die Boxenlackierung zur Smart Factory. So machen zum Beispiel Dürr-Analyse-Tools Lackierprozesse transparenter und helfen dabei, die First-Run-Rate weiter zu erhöhen.
 
In Kürze
Der Dürr-Konzern ist ein weltweit führender Maschinen- und Anlagenbauer mit ausgeprägter Kompetenz in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung/Industrie 4.0. Seine Produkte, Systeme und Services ermöglichen hocheffiziente Fertigungsprozesse in unterschiedlichen Industrien. Der Konzern beliefert Branchen wie die Automobilindustrie, den Maschinenbau sowie die Chemie-, Pharma- und holzbearbeitende Industrie. Im Jahre 2018 erzielte er einen Umsatz von 3,87 Mrd. Euro. Im Oktober 2018 wurde das industrielle Umwelttechnikgeschäft des US-Unternehmens Babcock & Wilcox mit den Marken Megtec und Universal übernommen. Seither beschäftigt der Dürr-Konzern über 16‘400 Mitarbeiter und verfügt über 108 Standorte in 32 Ländern. Er agiert mit fünf Divisionen am Markt:

  • Paint and Final Assembly Systems: Lackierereien und Endmontagewerke für die Automobilindustrie
  • Application Technology: Robotertechnologien für den automatischen Auftrag von Lack sowie Dicht- und Klebstoffen
  • Clean Technology Systems: Abluftreinigungsanlagen, Schallschutzsysteme und Batteriebeschichtungsanlagen
  • Measuring and Process Systems: Auswuchtanlagen sowie Montage-, Prüf- und Befülltechnik
  • Woodworking Machinery and Systems: Maschinen und Anlagen für die holzbearbeitende Industrie
 
 
Dürr Systems AG
Paint and Final Assembly Systems
Carl-Benz-Strasse 34
D-74321 Bietigheim-Bissingen
Tel. +49 7142 780
pfs@durr.com
www.durr.com