11 juin 2015 |
Oberflächen POLYSURFACES 02/2015 |
Technique des plasmas
Reinigen und Aktivieren von Kunststoff- und Metalloberflächen durch Niederdruckplasma
Dr. René Lewinski
Le traitement au plasma basse pression permet de préparer des matériaux et des formes des plus divers pour un traitement ultérieur. L’utilisation de différents gaz de procédés pour le nettoyage et l’activation des surfaces améliore la qualité de l’adhérence, du laquage et du revêtement, par exemple, y compris sur des matériaux sensibles à la température et à l’oxydation.
Materie verändert bei bestimmten Temperaturen ihre Erscheinungsform. Aus dem Alltag sind die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig geläufig, doch gibt es noch einen weiteren Zustand der Materie – das Plasma.
Ein Plasma wird auch als «vierter Aggregatzustand» bezeichnet und ist die ionisierte Form eines Gases. Der Unterschied zwischen einem neutralen Gas und einem Plasma ist die wesentlich höhere elektrische Leitfähigkeit und chemische Reaktivität. In der Natur kommen Plasmen bei Blitzen, Nordlichtern und der Sonne vor. Technisch kennt man sie als Lichtbögen oder Plasmalampen, wie zum Beispiel Neonröhren. Diese Plasmen unterscheiden sich durch den Druck, unter dem sie entstehen. Lichtbögen und Blitze kommen bei Normaldruck vor und werden auch Atmosphärenplasmen genannt. Niederdruckplasmen wie in Neonröhren oder Nordlichtern entstehen bei verringertem Druck.
Bild 1: Stand-Alone-Systeme mit unterschiedlichen Kammergrössen für die Behandlung mit Niederdruckplasma. Von links nach rechts sind hier die Standardanlagen V6-G, V15-G und V55-G zu sehen. (Bild: PINK)
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Erzeugung von Niederdruckplasma
Durch den Druckunterschied ergeben sich auch unterschiedliche Eigenschaften der Plasmen. Beim Atmosphärendruck entsteht ein sehr heisses Plasma, das in der technischen Anwendung bei einer zu langen Verweilzeit auf einem Punkt zu einer Schädigung des Materials führen kann. Wird ein Plasma im Niederdruck gezündet, ist der thermische Eintrag auf das Produkt gering, wodurch auch empfindliche Oberflächen behandelt werden können.
Für die Erzeugung eines Niederdruckplasmas wird in einer evakuierten Kammer durch elektromagnetische Strahlung (kHz, MHz oder GHz) das eingesetzte Prozessgas angeregt. Als Prozessgas lassen sich ungefährliche und ökologisch unbedenkliche Gase wie zum Beispiel Sauerstoff, Stickstoff oder Argon einsetzen. In Bild 1 sind einige Stand-Alone-Systeme dargestellt.
Anwendungsbeispiele
Bei der Aktivierung von schlecht benetzbaren Kunststoffen wie PE, PP, Teflon oder PEEK werden durch ein Sauerstoffplasma polare Gruppen auf der Oberfläche gebildet, was zu einer verbesserten Haftung von Klebstoffen, Vergussmassen, Lacken oder Farben führt. Während des Plasmaprozesses werden organische Verunreinigungen von der Oberfläche entfernt und zu ungefährlichen, gasförmigen Abfallprodukten (CO2und H2O) abgebaut. Diese Verbindungen werden über die Vakuumpumpe aus der Plasmakammer entfernt. Schon kurze Prozesszeiten von wenigen Minuten führen zu hervorragenden Reinigungsergebnissen, die mit anderen Verfahren nicht erreichbar sind. Auch dreidimensionale Teile mit kleinen Kapillaren lassen sich aufgrund der hohen Spaltgängigkeit des Niederdruckplasmas vollständig behandeln. Dank des trockenchemischen Prozesses bleiben weder Tensid- noch Chemikalienreste auf der Oberfläche zurück, und die Produkte müssen vor der Weiterverarbeitung nicht getrocknet werden.
Neben der Reinigung und Aktivierung von Oberflächen können mittels Niederdruckplasma auch Beschichtungen aufgebracht werden. Durch diese Behandlung lassen sich spezielle Funktionalitäten, wie zum Beispiel biologisch aktive, hydrophobe oder Korrosionsschutzschichten, erzeugen. Die folgenden Anwendungsbeispiele zeigen die Möglichkeiten der Niederdruckplasma-Technik.
Aktivieren vor dem Verkleben
Die Verklebung von Stahlnadeln in die Naben für Spritzen muss eine Mindestzugfestigkeit aufweisen, da sich die Nadel während der Anwendung ansonsten lösen kann. Dafür werden die PE-Nadelnaben im Plasma aktiviert. Diese Aktivierung findet in einer Drehtrommel statt, damit eine homogene Behandlung aller Teile gewährleistet ist. Durch die Plasmabehandlung vor dem Verkleben wird die Auszugskraft der Edelstahlnadel aus der PE-Nadelnabe von 18 auf 46 N erhöht. Dieser Effekt ist nicht nur bei PE zu beobachten, auch auf Hochleistungskunststoffen wie PEEK kann die Haftkraft eines Klebstoffes durch eine Niederdruckplasma-Behandlung erhöht werden.
Bild 2: Messung der Scherkräfte von PEEK-Verklebungen mit einem Epoxyklebstoff. Die Plasmavorbehandlung wurde mit zwei unterschiedlichen Prozesszeiten durchgeführt. Zur Untersuchung des Einflusses der Lagerdauer auf die Scherkräfte wurden unterschiedliche Lagerzeiten zwischen Plasmabehandlung und Verkleben eingehalten. (Bild: Epoxy Technology)
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Wie Bild 2 zeigt, steigt die Haftkraft der Verklebung durch die Plasmabehandlung stark an. Bei einigen Kunststoffen verringert sich bei sorgfältiger Lagerung zwischen Behandlung und Verkleben die Aktivierung über die Lagerdauer von einigen Tagen nur gering. Dieser Effekt hängt aber nicht nur von den Lagerbedingungen ab, sondern auch von den Beimengungen, wie zum Beispiel Weichmacher, innere Trennmittel oder nicht vollständig umgesetzte Monomere. Diese inneren Verunreinigungen diffundieren aus dem Kunststoff heraus und legen sich über die aktivierte Oberfläche, wodurch die Haftkraft über die Lagerzeit hin abnimmt.
Reinigung von Leadframes
Schon geringe Mengen an organischen Verunreinigungen verringern die Qualität von Wirebonds stark. Eine Reinigung der Leadframes mit Niederdruckplasma vor dem Wirebonden beseitigt die Verunreinigungen und verschiebt das Versagensbild von Pulltests weg von der Bondstelle hin zu Bruch des Drahtes. Wie in Bild 3 ersichtlich ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Bruches am Bondpad bei diesem Beispiel von rund 20 auf unter 5%. Dagegen steigt die Wahrscheinlichkeit eines Drahtbruches von etwa 40 auf über 80% an. Bei geeigneter Prozessführung entstehen keine störenden Oxidschichten.
Bild 3: Verteilung der Bruchwahrscheinlichkeit von Wirebonds mit und ohne Plasmavorbehandlung. Durch die Reinigung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Draht reisst, bevor die Bondstellen brechen. (Bild: PINK)
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Reinigung von Glasoberflächen
Die Reinigung von Oberflächen vor Beschichtungsprozessen ist zum Beispiel in der optischen Industrie ein essentieller Schritt in der Produktionskette. Sowohl Glas- als auch Kunststofflinsen werden vor dem Aufbringen von Antireflex- oder Kratzschutzschichten mittels Niederdruckplasma feinstgereinigt. Durch die Entfernung von organischen Verunreinigungen werden die optische Reinheit und die Haftung der aufgebrachten Schicht verbessert. Die Menge an Restkohlenstoff auf einer Glasoberfläche in Abhängigkeit von der Zeit ist in Bild 4 dargestellt. Dabei ist zu erkennen, dass es ausgehend von einer vorgereinigten Oberfläche möglich ist, die verbliebenen organischen Verunreinigungen fast vollständig zu entfernen.
Bild 4: Feinstreinigung einer Glasoberfläche mittels Niederdruckplasma. Schon durch eine kurze Plasmabehandlung wird der Restkohlenstoffgehalt stark reduziert. (Bild: PINK)
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Aktivierung vor Verguss
Die Qualitätsanforderungen im Automobilbereich sind sehr hoch. Ein Beispiel dafür sind Zündspulen, deren elektronische Bauteile nicht mit Feuchtigkeit in Kontakt kommen dürfen. Deshalb werden die Bauteile in Kunststoffgehäusen mit zum Beispiel Kunstharzen oder Silikonen vergossen. Um die Haftung der Vergussmasse am Gehäuse zu gewährleisten, werden die vollständig bestückten Zündspulen im Plasma behandelt (Bild 5). Selbst bei dieser komplexen dreidimensionalen Form wird das gesamte Bauteil aktiviert, was sich in der Steigerung der Oberflächenenergie auch der im Inneren verbauten Einzelteile zeigt. Aufgrund der hohen Stückzahlen ist eine Vollautomatisierung der Plasmaanlage nötig. Bild 6 zeigt eine Durchlaufanlage V200-2G, die in Produktionslinien integrierbar ist.
Bild 5: Ergebnisse der Plasmaaktivierung von Zündspulen. Die Benetzbarkeit wird auch im Inneren der Hülse stark erhöht. (Bild: PINK)
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Integration in Produktionslinien
Oft wird der Batchbetrieb in der industriellen Anwendung der Niederdruckplasma-Technik als Nachteil bewertet, obwohl dieses Verfahren hinsichtlich einer sauberen Prozessführung unstrittig grosse Vorteile mit sich bringt. Mittels einer «intelligenten» Automatisierungstechnik und modernen Pumpsystemen ist heutzutage eine Integration einer Batchanlage in eine Produktionslinie möglich. Ein modularer Aufbau ermöglicht eine schnelle und flexible Reaktion auf Produktionserweiterungen.
Bild 6: Vollständig automatisierte V200-2G-Inline-Anlage zur Behandlung von Zündspulen sowie Blick in deren Plasmakammer. (Bild: PINK)
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Umweltverträglichkeit und Betriebskosten
Im Vergleich zu anderen Reinigungs- und Aktivierungsmethoden fallen beim Niederdruckplasma nur geringe Unterhaltskosten an, da weder aufwendige Absaugungsanlagen noch grosse Mengen an Prozessgasen benötigt werden. Nur bei Verwendung von aggressiven Prozessgasen wie fluorhaltigen Verbindungen fallen Entsorgungskosten an. Ansonsten entstehen bei der Niederdruckplasma-Behandlung nur die ungefährlichen, gasförmigen Substanzen Kohlenstoffdioxid und Wasser. Da diese Art der Reinigung und Aktivierung ein trockenchemischer Prozess ist, lässt sich das behandelte Substrat ohne einen Trocknungsschritt direkt weiterverarbeiten.
Dr. René Lewinski
Prozessentwickler
PINK GmbH Thermosysteme
D-97877 Wertheim
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rlewinski@pink.de
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