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12 septembre 2012 | Oberflächen POLYSURFACES 04/2012 | Technique de revêtement

Vitaminspritze für Schweizer Beschichtungstechnik

Elsbeth Heinzelmann

La Suisse est le leader mondial en matière de technique de revêtement; pour l’instant, car les compétences s’effritent dans les hautes écoles et il n’existe pas de formation spécifique. Mais des institutions comme le CSEM et l’Empa ont une longueur d’avance. Elles lancent l’initiative «Swiss Coating Center», une couveuse pour les essais de couches innovantes et de techniques industrielles et pour des formations professionnelles et continues.
Oerlikon Balzers, Sulzer Metco, Ionbond, Ruag: das Beschichtungs-Know-how von Schweizer Unternehmen ist rund um den Globus ein Begriff. Doch unsere Hochschulen nehmen das Thema nur ungenügend wahr. Eine Ausbildung in Beschichtungstechnik wie sie in Deutschland seit Jahren in Betrieben und Berufsschulen angeboten wird, ist in helvetischen Gefilden ein Fremdwort, denn bisher importierte man die nötigen Fachleute vom nördlichen Nachbarn.
 
Problem erkannt – Aktion aufgegleist
«Die heutige Schweizer Forschungs- und Bildungslandschaft bildet bezüglich Beschichtungstechnologie in keiner Weise die Bedürfnisse der Industrie ab», urteilt Professor Dr. Alex Dommann, Vice-President CSEM, Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique SA. Neueste Forschungsergebnisse aus dem Labor müssen auf industrienahen Anlagen verifiziert werden. Doch die Infrastruktur der meisten Forschungslabors ist dafür ungeeignet, und Unternehmen können solche Entwicklungen in diesem frühen Stadium noch nicht übernehmen. «Es fehlt eine geeignete Infrastruktur, um neue Schichten und Prozesse im Hinblick auf den industriellen Einsatz auszutesten und mit ersten Prototypen rasch einen Proof of Concept zu erhalten», so Alex Dommann.
Um diese Vision in die Tat umzusetzen, schlossen sich unternehmerisch denkende Forscher des CSEM mit ihren Kollegen an der Empa zusammen. Ihr Ziel ist es, das Swiss Coating Center zu schaffen, ein Kompetenzzentrum für die vorwettbewerbliche Forschung, und dazu in Beschichtungstechnologien - besonders im industriellen Plasmabereich - gewiefte Forschungsinstitute und Unternehmen in gemeinsamen Projekten zu vereinen. Das Competence Centre for Materials Science and Technology (CCMX) des ETH-Bereichs, das industrielle und akademische Forschung in vorwettbewerblichen Projekten verknüpft, ist interessiert, diese Initiative mit seinem Materials Challenges-Programm zu unterstützen. So soll ein dynamischer Wissens- und Technologietransfer zwischen akademischer Forschung und industriellen Entwicklungen stimuliert werden. Im Brennpunkt stehen das Modellieren von Plasmaprozessen im Hinblick auf Einheitlichkeit, zeitabhängige Phänomen und Quellendesign, das Charakterisieren von Plasmen und Schichten sowie Technologie-Screening. Um Forschung und Entwicklung voranzutreiben, geben die Partnerinstitutionen wie das CSEM und die Empa Zugang zu ihren hochentwickelten Untersuchungs- und Charakterisierungsmethoden und zum Wissen ihrer Fachleute. Besonderes Augenmerk erhält eine qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildung für Beschichtungstechnologien, die - in enger Zusammenarbeit mit der Empa und dem CSEM - ebenfalls in diesem Innovationszentrum ein Dach über dem Kopf erhalten sollen, um künftig der Industrie die nötigen Experten bereitzustellen.
 
Plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (PECVD): Verglichen mit der klassischen thermischen Gasphasenabscheidung (CVD) lassen sich die Schichten bei bedeutend niedrigeren Temperaturen und damit auf temperaturempfindlichen Substraten abscheiden. (Bild: Empa)
 

Spielwiese für industrienahe Hightech
«Für pfiffige Schichten und Techniken zeichnen sich neue Möglichkeiten und Märkte ab», kommentiert Dr. Pierangelo Gröning, der an der Empa das Departement «Moderne Materialien und Oberflächen» sowie den Forschungsschwerpunkt «Nanostrukturierte Materialien» betreut. Dabei denkt er an wirtschaftlich interessante Werkstoffkombinationen wie Metall-Polymer-Verbunde. Ein Beispiel dafür sind wartungsfreie Metall-Polymer-Verbundgleitlager, die eine Schmierung über die gesamte Einsatzdauer hinweg erübrigen. Grundlage der Gleitschicht ist Polytetrafluorethylen (PTFE), worin chemisch reaktionsträge Zusatzstoffe eingebettet werden. Im Trend liegen funktionelle Schichten, beispielsweise mit Niederdruck-Mikrowellenplasmen erzeugt. Damit lassen sich besonders Oberflächen temperaturempfindlicher Materialien mit geringem Energieeintrag gezielt behandeln oder beschichten. Denkbar ist die spezifische Einstellung der Oberflächeneigenschaften für Hydrophobie/Hydrophilie, die Integration von Barriereschichten für Gasdiffusion oder elektrische Isolation, das Entkeimen für Einsätze in der Lebensmittelindustrie, in Medizin und Pharmazie.
Im Visier haben die Initianten von Swiss Coating aber auch die Prozesstechniken, wie Roll-to-Roll-Verfahren, die beispielsweise in der Herstellung von Dünnschicht-Solarzellen eine rasche und kontinuierliche Beschichtung mit reinen ultradünnen Filmen im Vakuumprozess ermöglichen. Im Gespräch sind immer mehr Verfahren mit Funktionspolymeren, komplexe makro-molekulare Werkstoffsysteme mit hohem Integrationsgrad an Funktionalitäten. Diese «smart polymers» können beispielsweise auf Stimulationen wie Druck, Wärme, Licht oder Elektrizität reagieren und spezielle Effekte erzielen. So untersucht die Abteilung Funktionspolymere der Empa neuartige Polymermaterialien mit einzigartigen funktionellen Eigenschaften sowie Laser-Beschichtungsverfahren im Mikrometerbereich, die unter anderem für die Fertigung von Polymer-Dünnfilmbauteilen zum Einsatz kommen.


Komplexer, mehrschichtiger Aufbau einer flexiblen Dünnschicht-CIGS-Solarzelle hoher Effizienz (18,7%; aktueller Weltrekord). (Foto: Empa)
 

Power für die Zukunft
«Mit dem Swiss Coating Center und seinen halbindustriellen Anlagen, die ein up-scaling auf industrielle Massstäbe ermöglichen, können wir die heute klaffende Lücke in Forschung und Entwicklung schliessen», urteilt Pierangelo Gröning. Damit wird die Basis für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Beschichtungsbranche auf internationalem Parkett sichergestellt. Und da hierfür Investitionen nötig sind, die in der Regel das Budget von Schweizer Forschungsinstitutionen übersteigen, streben die Initianten ein PPP-Modell – eine Public Private Partnership - mit der einheimischen Beschichtungsbranche an.
Noch steckt die Aktion «Swiss Coating Center» in der Planungsphase. Gesucht sind nun zukunftsorientierte Menschen, clevere Köpfe, die sich in dieser Initiative engagieren und ihre Ideen einfliessen lassen. Nur mit dem Zusammenlegen von wissenschaftlichem Know-how und dem Wissen um innovative industrielle Anwendungen ist es der Schweizer Beschichtungsindustrie möglich, ihre Trumpfkarte in diesem Bereich auszuspielen und ihre führende Position in Beschichtungstechnik auf den Weltmärkten auch in Zukunft zu behaupten.

Weitere Informationen:
CSEM
Prof. Dr. Alex Dommann
alex.dommann@csem.ch
Empa
Dr. Pierangelo Gröning
pierangelo.groening@empa.ch