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13 april 2012 | Oberflächen POLYSURFACES 02/2012 | Galvanoplasty

Aussenstromlose Kupfer-Zinn-Abscheidung für die 3D-MID-Technologie

Dr. Alexander Meyerovich und Albert Birkicht

Da die etablierten Finish-Verfahren, wie beispielsweise das NiP/Sud Au-Verfahren, an ihre ökonomischen Grenzen stossen, beherrscht das Thema «Chemische Verzinnung» die Diskussion bei der Auswahl geeigneter Oberflächenbeschichtung von Kunststoffen. Die Zinnschicht wird aus einem Sud Zinn-Bad in einem speziellen Prozess auf die Leiterzüge gebracht, in dem die Kupferatome der freiliegenden Leiterbahnen und Kontaktflächen gegen Zinnatome ausgetauscht werden. Nach dieser Austauschreaktion geht Kupfer in die Lösung und Zinn wird metallisch nach folgender Reaktion abgeschieden:
 
Cu0 + Sn2+ ›Cu2+ + Sn0
(1)                   (2)
 
Technische Vorteile einer Zinnbeschichtung
Da Kupfer edler als Zinn ist, wird zur Verschiebung des elektrochemischen Potenzials ein Komplexbildner (Thioharnstoff) eingesetzt. Dieser bindet die Cu2+-Ionen und führt zu einer Verschiebung des Reaktionsgleichgewichtes in Richtung (2). Die chemische Reaktion endet, wenn die Zinnschicht an der Oberfläche eine Dicke von etwa 1 µm erreicht hat. Zwischen Zinn- und Kupferschicht besteht nach diesem Prozess eine intermetallische Kupfer-Zinn-Phase.
Verschiedene Gründe sprechen für die chemische Aufbringung von Zinn als brauchbare Alternative zum NiP/Sud Au-Verfahren. Ein Vorteil ist die hohe Planarität der Oberfläche. Bedingt durch den absolut ebenen Metallaufbau ist Chemisch-Zinn ideal für die Bestückung und Lotpastenapplikation besonders bei Schaltungen mit kritischen Strukturen. Die Zinnschicht ermöglicht ausserdem eine Lagerzeit der Komponenten von mindestens sechs Monaten mit einem anschliessenden zweimaligen Reflowlöten. Die geringe Dicke der Zinnschicht (von 0,6 bis maximal 2 µm) bringt aber auch Nachteile mit sich: Bei Anlieferung ist die intermetallische Kupfer-Zinn-Phase bereits etwa 0,25 µm dick. Während der Lagerung setzt sich die Diffusion des Kupfers in die Zinnoberfläche fort, so dass die Dicke der reinen Kupfer- beziehungsweise Zinnschichten abnimmt. Erreicht das Mischmetall die Oberfläche, so überzieht sie sich mit einer nicht entfernbaren Oxidschicht, und das Löten ist nicht mehr möglich.
Die Labor- und Pilotversuche für die chemische Zinnbeschichtung wurden mit Hilfe von Sud Zinn-Bäder verschiedener Lieferanten durchgeführt. Als Prüflinge wurden verkupferte Produktionsteile aus «Pocan 7102», «Vectra E820i Pd/E130» sowie aus «Vectra 840i» verwendet. Der Prozess ist in Bild 1 dargestellt.
 

Bild 1: Chemisches Verzinnen von verkupferten Oberflächen.

Standardisierte Testmethoden zur Evaluierung
Jedem Aktivbad sind selbstverständlich Spülbäder nachgeschaltet, da man die anhaftenden Elektrolyt­reste vor der nächsten Verfahrensstufe gründlich entfernen muss.
Für die Analysen der aktiven Bäder wurden standardisierte titrimetrischen und AAS-Methoden verwendet. Die Zinnoberfläche wurde mit blossem Auge und mittels eines optischen Mikroskops (Vergrösserung bis 200mal) begutachtet. Nach einer visuellen Beurteilung hat man die Schichtdicken mit Hilfe des Röntgenfluoreszenzgeräts «Fischerscope X-Ray» über die ganze Probe verteilt vermessen. Die Rauigkeitsmessungen wurden mittels Perthometer M4P durchgeführt.
Zuerst wurde die Kompatibilität von Substraten über die Funktion der abgeschiedenen Zinnschicht geprüft. Als Kriterien der Badverträglichkeit werden die Lötbarkeit und die Schichtdicke beurteilt. Aus diesem Ergebnis kann man folgern, dass nicht alle in den 3D-MID-Prozessen verwendeten Kunststoffe mit dem ausgewählten Sud Zinn-Verfahren kompatibel sind.
Es wurde die Rauigkeit auf den verkupferten und verzinnten Leiterbahnen von unterschiedlichen Kunststoffen gemessen. Aus den Messergebnissen folgt, dass das ausgewählte Sud Zinn-Bad sehr planere Zinnschichten aufgrund des sehr starken Netzmittels liefert, wodurch die Beschichtung relativ gut verläuft. Die im Sud Zinn-Bad beschichteten Oberflächen wiesen keine Flecken und Verfärbungen auf. Auf den Leiterzügen erkennt man die raue Struktur deutlich, allerdings ist das Zinn weitestgehend gleichmässig abgeschieden worden (Bild 2).
Sowohl frisch beschichtete als auch zehn Monate gealterte Oberflächen wurden auf Lötbarkeit überprüft. Als Lot wurde die Legierung Sn95,5/Ag4/Cu0,5 von Heraeus verwendet. Die Lötversuche wurden unter Verwendung eines Dampfphasenofens und mit Hilfe von Handlötkolben durchgeführt. Zur Auswahl kamen Profile mit unterschiedlichen Temperatur-Zeit-Verläufen, das heisst sowohl Sattelprofile als auch kontinuierliche Profile.

Bild 2: Mikroskopaufnahme der Zinnoberfläche von MID-Leiterzügen (links) und Ausbildung der Lötstellen an Chipbauteilen (rechts).
 
Fazit
Preislich liegt Chemisch Zinn zwischen den klassischen SnPb- und NiP/Au-Beschichtungen. In Abhängigkeit vom Layout, von der Verschleppung und der Anlagentechnik sind die Kosten im Vergleich zu chemisch Nickel/Gold um 10 bis 30% günstiger.
Im Gegensatz zu NiP/Sud Au-Beschichtung ist die chemische Zinnschicht reparierfähig. Eine defekte Zinnschicht kann entfernt, die darunter liegende Kupferoberfläche regeneriert und eine neue Zinnschicht abgeschieden werden.
Die Zinnschicht kann als eine wirtschaftliche Alternative zur Nickel-Gold-Beschichtung für Leiterbahnen auf Kunststoffteilen verwendet werden (z. B. bei Sicherheitskappen).
Wegen der höheren Rauigkeit der laserstrukturierten Oberfläche ist die Verwendung von LDS-Kunststoffen für zu lötende Produkte sehr eingeschränkt. Die Lötbarkeit steigt mit der zusätzlichen Bearbeitung (Glättung) der strukturierten Oberfläche an.
Durch die dünne Zinnschicht hat diese Endbeschichtung eine eingeschränkte Lagerfähigkeit (≤6 Monate) vor dem Lötprozess.
 

Dr. Alexander Meyerovich

Leiter Forschungslabor Metallisierung
Harting KGaA
Albert Birkicht
Managing Director
Harting AG
Leugenestrasse 10
2500 Biel 6
Tel. 032 344 21 21
Fax 032 344 21 22
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