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17 june 2014 | La Revue POLYTECHNIQUE | Uncategorized

Enorme Zeiteinsparung beim Schleif- und Polierprozess

Die Haigis Gewichtefertigung GmbH in Albstadt (D) baut hochwertige Einzelgewichte und Gewichtssätze aller Genauigkeitsklassen (E1 bis M3) von 1 mg bis 500 kg. Je nach Klasse werden Edelstahl, Messing, Grauguss, Stahl, Neusilber und Aluminium verwendet. Seit 1996 ist das Unternehmen von der Akkreditierungsstelle des Deutschen Kalibrierdienstes bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig als Labor für Gewichtstücke des Deutschen Kalibrierdienstes (DKD) akkreditiert.
«Wir bestimmen die messtechnischen Eigenschaften jedes Gewichts und bescheinigen sie auf Kundenwunsch durch ein Zertifikat», schildert der Geschäftsführer Manfred Bürkle und verweist auf höchstpräzise Messinstrumente. Der Laborraum ist erschütterungsarm; es herrschen Temperaturen zwischen 20 und 23 °C und eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60%. Diese Werte werden für die Berechnung des konventionellen Wägewertes benötigt.
 
Arbeitsraum der Roboterschleif- und -polieranlage mit sechsachsigem Industrieroboter «Quantec KR R2500pro».
 

Automatisierungslösung bringt erhebliche Vorteile
Was im Labor auf Herz und Nieren getestet wird, durchläuft zuvor einen Produktionsprozess mit einem unverzichtbaren Anteil an Handarbeit. Die Gewichte werden auf Vortoleranz gedreht und anschliessend bis auf einen bestimmten Wert vor dem Endgewicht geschliffen. Im nächsten Arbeitsschritt werden Hals, Kopf und Boden poliert bis das vorgegebene Gewicht erreicht ist. Diese Tätigkeit übernahmen bislang Mitarbeiter von Hand. Bei einem 200-g-Gewicht dauerte dies 8 bis 10 min und ein 2-kg-Gewicht benötigte etwa 35 min. «Dies erfordert ein gutes Auge und sehr viel Berufserfahrung. Zudem ist die Arbeit schwer. Ein Mitarbeiter, der am Tag bis zu 100 Gewichte mit 10 kg poliert, weiss am Abend, was er geleistet hat», sagt Manfred Bürkle: Er beschreibt damit ein Problem, das Haigis immer mehr zu schaffen machte: es drohten, die Mitarbeiter davonzulaufen, und geeigneten Nachwuchs zu finden, wurde immer schwieriger.
Damit waren die Weichen in Richtung Automatisierungslösung gestellt. Als möglicher Projektpartner kam schnell die SHL Automatisierungstechnik AG ins Spiel. Nach ersten Sondierungsgesprächen waren SHL-Experten bei Haigis und nahmen die Prozesse unter die Lupe. «Wir sind immer bestrebt, in unseren Lösungen die Prozesse entsprechend umzusetzen. Applikationen, die im Einsatz waren, werden übernommen und in automatisierte Prozesse überführt», skizziert Heiko Märtens, Sales Manager bei SHL, die Vorgehensweise.
Eine wichtige Rolle in der Planungs- und Beratungsphase spielte das SHL-Technologiezentrum, in dem umfangreiche Vorversuche durchgeführt wurden. Es verfügt über vier Roboterzellen, die sowohl mit unterschiedlichen Robotern neuster Bauart als auch mit aktuellen Schleif- und Poliermaschinen sowie Werkstück-Zuführtischen ausgerüstet sind. Solche Praxistests liefern wichtige und nachvollziehbare Informationen für den Entscheidungsfindungsprozess des Kunden und die Handlungsmöglichkeiten von SHL. «Wir haben in unserem Technologiezentrum Vorversuche durchgeführt, um dem Kunden zu zeigen, welche Prozesse optimal umsetzbar sind», bemerkt Heiko Märtens. Die Ergebnisse haben den Gewichtehersteller überzeugt.
Die danach in Auftrag gegebene Anlage stellte die SHL-Ingenieure vor eine Reihe von Herausforderungen. Einerseits müssen grosse Gewichtsunterschiede bewältigt werden, von 20-g-Winzlingen bis hin zu 20 kg schweren Gewichten. Andererseits verlangt die Bearbeitung der Werkstücke eine sehr hohe Rundlaufgenauigkeit. «Weil hier eine herkömmliche Roboterlösung nicht greift, haben wir spezielle Antriebe eingesetzt. Und automatisch betätigte Spannfutter erzeugen die geforderte Rundlaufgenauigkeit», sagt Heiko Märtens. Ein weiterer Knackpunkt war das Superfinish, also die Feinstbearbeitung der Gewichte. Denn normalerweise läuft das Band, und das Werkstück wird dagegen gehalten. Bei dieser Anlage ist es genau anders: der Roboter dreht das Teil und hält es gegen das Band. Dies hat den Vorteil, dass immer die gleichen Schleifparameter vorhanden sind und unterschiedliche Gewichte mit demselben Band bearbeitet werden können.
 
Der «feinfühlige» Greifer nimmt die Gewichte schonend auf.

 

Grosse Entlastung für die Mitarbeiter
Die Roboterschleif- und -polieranlage ist nun seit Mitte November 2013 im Einsatz. Dabei bedient ein sechsachsiger Industrieroboter vom Typ «Quantec KR 120 R2500pro» von Kuka insgesamt vier Schleif- und Polierstationen. Er verfügt über eine maximale Traglast von 120 kg und hat eine Reichweite von 2500 mm.
Zu Beginn des Bearbeitungsprozesses öffnet der Bediener die Zugangstür der Anlage, fixiert den mit Gewichten beladenen Palettenwagen und startet am Bedienungspanel das entsprechende Bearbeitungsprogramm. Der Roboter nimmt ein Teil auf und führt es zur Freiband- und Kontaktrollen-Schleifmaschine FKS 250/450. Wo die Stirnseite am Kopf geschliffen wird. Anschliessend wird das Gewicht an der Doppelpoliermaschine DP1000 poliert. Im nächsten Arbeitsschritt wird das Werkstück an der Doppelpoliermaschine DP550 geglänzt.
Wenn die Palette abgearbeitet ist, werden die Gewichte gedreht und der Prozess beginnt von vorn. Nach dem Schleifen an der FKS 250/450 führt der Roboter das Gewicht an das Schleifaggregat in Sonderbauform, an dem das Superfinish erfolgt. Danach wird an der DP 1000 poliert, ehe der Roboter das Teil an die DP550 zum Abglänzen führt. Dann wandert das Gewicht zurück in die Palette. Sind alle Teile bearbeitet, steht die Anlage wieder zur Verfügung, sobald das richtige Arbeitsprogramm angewählt wurde und die Greiferbacken angepasst sind, falls andere Gewichtsklassen bearbeitet werden.
Für Haigis hat sich mit dieser Automatisierungslösung gleich eine ganze Reihe von Vorteilen ergeben. «Unsere Arbeit ist insgesamt planbarer geworden. Wir müssen starke Auftragsschwankungen bewältigen. Mit dem Roboter schaffen wir das zuverlässig, weil wir die Anlage auch einmal über Nacht laufen lassen können», stellt Manfred Bürkle fest. «Mit der Anlage werden sehr gute Polierleistungen erzielt. Der Roboter dreht endlos mit gleichbleibender Qualität. Er braucht keine Pausen, was uns 30% Zeit einspart.» Das Polieren eines 200-g-Gewichts dauerte von Hand etwa16 min. Davon nimmt der Roboter nun 12 min ab. Somit werden hier sogar 75% Zeit eingespart.
Drei Viertel des Schleif- und Polierprozesses sind durch die SHL-Lösung automatisiert. Die restlichen 25%, beispielsweise das Fertigpolieren, werden von Mitarbeitern übernommen. Somit ist eine optimale Arbeitsaufteilung zwischen Mensch und Maschine gegeben: jeder macht das, was er am besten kann. Damit ist die optimale Effektivität gewährleistet. Für Manfred Bürkle ist diese Entwicklung aber noch nicht zu Ende. Er will durch weitere Prozessoptimierungen den Anteil manueller Polierarbeit auf 5 bis 10% senken. Die Anlage läuft seit der Inbetriebnahme absolut zuverlässig und wird intensiv genutzt.
 
Der Roboter nimmt die Gewichte aus einer Palette und führt sie prozesssicher zur Bearbeitung.
 

Optimale Unterstützung durch den Hersteller
Ein wichtiger Punkt ist der After-Sales-Bereich. Die SHL Automatisierungstechnik legt grössten Wert darauf, die Kunden vor, während und nach der Entscheidung optimal zu unterstützen. Zum umfassenden Serviceangebot gehören unter anderem Wartung, Hotline, Schulungen, Anlagenumstellung und Datensicherung. Im Notfall steht ein Reparaturservice zur Verfügung und erfahrene Mitarbeiter übernehmen die Begleitung und Verbesserung der Prozesse nach Produktionsbeginn. «Wir bieten mit den Leistungen aus einer Hand ein einzigartiges Rundumpaket. Dies bietet grosse Vorteile für den Endkunden, weil wir ihn auch nach der Kaufentscheidung umfassend betreuen», sagt Gerd Lehr, Vorstand der SHL Automatisierungstechnik AG.
Sowohl für den Hersteller als auch für den Anwender sind die Potenziale der Roboteranlage noch nicht ausgeschöpft. Dazu bemerkt Heiko Märtens: «Die Anlage hat sicher Luft nach oben. Wir brauchen aber noch etwas Zeit, um Erfahrungswerte zu sammeln.» Auch Manfred Bürkle denkt über weitere Möglichkeiten nach: «Wir könnten uns vorstellen, einen zusätzlichen Polierarbeitsschritt zu integrieren mit dem Ziel, noch genauer an das Endgewicht heranzukommen.» Dies würde – falls vom Anwender gewünscht – für den Anlagenhersteller eine neuerliche Herausforderung darstellen.
 
Manfred Bürkle, Geschäftsführer der Haigis Gewichtefertigung GmbH, zeigt ein fertig bearbeitetes Gewicht.

 

Zum Unternehmen
Die SHL Automatisierungstechnik AG zählt zu den international führenden Anbietern automatisierter Lösungen zur Oberflächenbearbeitung mit den Kernkompetenzen Schleifen, Polieren und Entgraten. Seit der Gründung 1989 hat sich das Unternehmen mit Sitz im schwäbischen Böttingen zu einem der grossen Systemhäuser von Handmaschinen, Anlagen mit werkstückgeführten sowie Roboter mit werkzeuggeführten Applikationen und Transferlinien für vielfältige Automatisierungsprozesse entwickelt. Es beschäftigt 70 Mitarbeiter und feiert dieses Jahr das 25jährige Bestehen.
 
SHL Automatisierungstechnik AG
Spaichinger Weg 14
D-78583 Böttingen
Tel. +49 7429 930 40
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