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22 november 2016 | Oberflächen POLYSURFACES 04/2016 | Nanotechnology

Graphen-Nanobänder: Auf die Ränder kommt es an

Martina Peter

Weil elektronische Bauteile immer kleiner werden, stösst die Industrie mit dem traditionellen Silizium als Halbleitermaterial allmählich an ihre Grenzen. Graphen, der Stoff mit etlichen «wundersamen» Eigenschaften, gilt als möglicher Ersatz. Die nur ein Atom dünne Kohlenstoffschicht ist ultraleicht, äusserst flexibel und ausserordentlich leitfähig. Um Graphen indes für elektronische Bauteile wie Feldeffekt-Transistoren nutzen zu können, muss das Material in einen Halbleiter «verwandelt» werden; dies gelang Empa-Wissenschaftern vor einiger Zeit mit Hilfe einer neu entwickelten Methode: 2010 stellten sie erstmals nur wenige Nanometer breite Graphen-Nanobänder (graphene nanoribbons, GNR) mit präzis geformten Rändern her.

Dazu liessen sie die Bänder auf einer Metalloberfläche gezielt aus ausgewählten Vorläufermolekülen wachsen. Je schmaler die Bänder sind, desto grösser war deren elektronische Bandlücke – also der Energiebereich, in dem sich keine Elektronen befinden können, und der dafür verantwortlich ist, dass ein elektronischer Schalter (z. B. ein Transistor) ein- oder ausgeschaltet werden kann. Es gelang den Empa-Forschern in der Folge auch, die Nanobänder zu «dotieren», das heisst an bestimmten Stellen mit Fremdatomen wie Stickstoff zu versehen, um die elektronischen Eigenschaften der Graphenbänder noch weiter zu beeinflussen.
 
Illustration eines Graphen-Nanobandes mit Zickzackrändern und der für dessen Herstellung verwendeten Vorläufermoleküle. Elektronen an den beiden Zickzackrändern weisen entgegengesetzten Drehsinn (spin) auf: «Spin-up» am unteren (rot) beziehungsweise «Spin-down» am oberen Rand (blau).
 

Der perfekte Bauplan
In der nun in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichten Arbeit berichtet das Empa-Team um Roman Fasel zusammen mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz unter der Leitung von Klaus Müllen und von der Technischen Universität Dresden um Xinliang Feng, wie sie aus geeigneten Kohlenstoff-Vorläufermolekülen und dank perfektioniertem Herstellungsprozess GNR mit perfekt zickzackförmigen Rändern synthetisierten, die einer ganz bestimmten Geometrie entlang der Längsachse des Bandes folgen. Ein wichtiger Schritt, denn durch die Geometrie der Bänder und vor allem durch die Struktur deren Ränder können die Forscher den Graphenbändern unterschiedliche Eigenschafen verleihen.
Wie beim Fliesenlegen mussten für das «Muster» des Zickzack-Graphenbandes vorgängig die richtigen Fliesen beziehungsweise Vorläufermoleküle für die Synthese an der Oberfläche gefunden werden. Anders als in der organischen Chemie, die auf dem Weg zu einer reinen Substanz auch Nebenprodukte in Kauf nimmt, muss bei der Oberflächensynthese der Graphenbänder alles so angelegt sein, dass nur ein einziges Produkt entsteht. Wiederholt wechselten die Wissenschafter zwischen Computersimulation und Experiment hin und her, um den bestmöglichen Syntheseweg zu entwerfen. Mit Molekülen in U-Form, die sie zu einer Schlangenlinie zusammenwachsen liessen, und zusätzlichen Methylgruppen, die die Zickzackränder vervollständigten, gelang es den Forschern schliesslich, einen «Bauplan» für GNR mit perfektem Zickzackrand zu erstellen. Dass die Zickzackränder auf das Atom genau stimmten, überprüften die Forscher, indem sie die atomare Struktur mit dem Rasterkraftmikroskop (Atomic Force Microscope, AFM) untersuchten. Darüber hinaus gelang es ihnen, die elektronischen Zustände der Zickzackränder mittels Rastertunnelspektroskopie (Scanning Tunneling Spectroscopy, STS) zu charakterisieren.
 
«Schnittmuster» für Graphen-Nanobänder: Abhängig von der Richtung der Bandachse weisen Graphen-Nanobänder einen Sesselrand (armchair) oder einen Zickzackrand (zigzag) auf.
 

Den inneren Drehsinn der Elektronen nutzen
Und genau diese zeigen eine vielversprechende Besonderheit. Elektronen können sich entweder links oder rechts herum drehen, man spricht vom inneren Drehsinn (Spin) der Elektronen. Das Spezielle an den Zickzack-GNR: Entlang der beiden Ränder richten sich die Elektronenspins jeweils alle gleich aus, ein Effekt, den man als ferromagnetische Kopplung bezeichnet. Gleichzeitig sorgt die so genannte antiferromagnetische Kopplung dafür, dass sich die Elektronenspins an gegenüberliegenden Rändern umgekehrt ausrichten. An einem Rand des Bandes befinden sich die Elektronen also alle im «Spin-up»-, am andern im «Spin-down»-Zustand.
So lassen sich an den Bandrändern zwei voneinander unabhängige Spin-Kanäle mit unterschiedlicher «Fahrtrichtung» erschliessen, ähnlich einer Autobahn mit getrennten Fahrbahnen. Über gezielt eingebaute strukturelle Defekte an den Rändern oder – etwas eleganter – über ein elektrisches, magnetisches oder optisches Signal von aussen sollten sich so beispielsweise Spin-Barrieren und -Filter entwerfen lassen, die nur noch zum An- und Abschalten Energie benötigen: die Vorstufe eines nanoskaligen und erst noch extrem energieeffizienten Transistors.
Möglichkeiten wie diese machen GNR für spintronische Anwendungen beziehungsweise Bauelemente extrem interessant; diese nutzen sowohl die Ladung als auch den Spin der Elektronen. Aus dieser Kombination versprechen sich Forscher völlig neuartige Komponenten, etwa adressierbare magnetische Datenspeicher, die eingespeiste Informationen auch nach dem Abschalten des Stroms noch beibehalten.
 
«Plan» für Graphen-Nanobänder mit Zigzagrand, erhalten aus spezifischen Vorläufermolekülen.
 

Literatur
Ruffieux P., Wang S., Yang B., Sanchez C., Liu J., Dienel T., Talirz L., Shinde P., Pignedoli CA., Passerone D., Dumslaff T., Feng X., Müllen K., Fasel R.: On-surface synthesis of graphene nanoribbons with zigzag edge topology. Nature 531 (2016), pp. 489-492, doi: 10.1038/nature17151
 
Diese Arbeit wurde vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und vom US-Office of Naval Research (ONR) unterstützt.

 
Graphen-Nanobänder gleiten auf Gold
In einer Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Basel und weiteren internationalen Kollegen untersuchten Empa-Wissenschafter kürzlich auch die tribologischen Eigenschaften von Graphen-Nanobändern. In einem Beitrag der Fachzeitschrift «Science» berichteten sie über Wechselwirkungen von Graphen-Nanobändern, die an der Spitze eines Rasterkraftmikroskops in verschiedene Richtungen über eine Goldoberfläche gezogen wurden. Mit diesen Experimenten und dank leistungsfähigen Computersimulationen konnten die Forscher nachweisen, dass nahezu reibungsfreie, schwebende Bewegungen möglich sind. Der Grund für die Reibungslosigkeit (superlubricity) ist: Die beiden atomaren Gitter an den kristallinen Oberflächen von Gold und Graphen sind völlig inkongruent zueinander; nirgends kann in der atomaren «Berg- und Tal-Landschaft» ein Einrasten stattfinden.
 
Kawai S., Benassi A., Gnecco E., Söde H., Pawlak R., Feng X., Müllen K., Passerone D., Pignedoli CA., Ruffieux P., Fasel R., Meyer E.: Superlubricity of Graphene Nanoribbons on Gold Surfaces. Science (2016), doi: 10.1126/science.aad3569
 

Weitere Informationen:
Dr. Pascal Ruffieux
nanotech@surfaces
Tel. 058 765 46 93
pascal.ruffieux@empa.ch
 
Prof. Dr. Roman Fasel
nanotech@surfaces
Tel. 058 765 43 48
roman.fasel@empa.ch