01 june 2012 |
Oberflächen POLYSURFACES 03/2012 |
Continuing education
Lebenslänglich lernen immer wichtiger
Dr. Fritz Haselbeck
Überdurchschnittlich profitable Unternehmen haben europaweit nur eine Gemeinsamkeit: Alle investieren mehr als die übrigen Firmen in Training und Weiterbildung. Die gezielte Weiterbildung der Mitarbeitenden gilt als entscheidender Erfolgsfaktor jedes Unternehmens.
Weiterbildung ist zudem ein wichtiger Faktor, um Mitarbeiter zu gewinnen und bei der Stange zu halten. Qualifizierte Arbeitnehmer setzen bei der Wahl einer neuen Stelle die betriebliche Unterstützung von Weiterbildung oft an die erste Stelle.
Weiterbildung in der Schweiz
Haben Schweizer Unternehmen in den vergangenen Jahren diese Erkenntnisse berücksichtigt? Wie eine Untersuchung des Bundesamtes für Statistik zeigt, bildeten sich 2003 zwar volle 1,8 Mio. Erwachsene in 2,5 Mio. Kursen weiter; die Tendenz seit 2001 ist jedoch sinkend. Diese Entwicklung entspricht weitgehend dem Konjunkturverlauf. Stottert der Wirtschaftsmotor, wird - trotz gegenteiligen Lippenbekenntnissen - auch weniger in die berufliche Weiterbildung investiert. Dies wirkt sich aber auf die Konkurrenzfähigkeit aus. Ein Vergleich mit dem Werbemarkt ist nahe liegend. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Unternehmen, die während der Rezession ihr Werbebudget nicht zurückfahren, im nachfolgenden Aufschwung Marktanteile gewinnen.
«Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen», meinte schon Henry Ford. Gleichermassen bin ich überzeugt, dass eine Konzentration auf die Weiterbildung der Mitarbeiter während wirtschaftlich schlechten Zeiten den entscheidenden Vorsprung für die Zukunft bringt. Denn besseres, neueres Wissen steigert die Durchschlagskraft in einem kommenden Aufschwung.
Volkswirtschaftliche Bedeutung
Die berufliche Weiterbildung ist im globalen Wettbewerb für die einzelnen Volkswirtschaften der entscheidende Erfolgsfaktor. Besser ausgebildete Arbeitskräfte machen den Unterschied aus. Sie sind die Basis jedes Produktivitätsfortschritts. Daneben erleichtern gut ausgebildete, motivierte Mitarbeiter den Strukturwandel und fördern die Chancengleichheit. Laut Bundesamt für Statistik sind Weiterbildungschancen in der Bevölkerung jedoch tendenziell ungleich verteilt. So haben im Jahre 2003 beispielsweise 55% all jener mit einer höheren Berufsbildung oder einem Hochschulabschluss Weiterbildungskurse belegt. Im Gegensatz dazu waren es aber nur 20% derjenigen mit nur einer obligatorischen Schulbildung. Aber auch für ungelernte, weniger verdienende oder ältere Arbeitnehmer ist Fortbildung notwendig.
Ältere Mitarbeiter werden bei den heutigen demografischen Verhältnissen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die skandinavischen Länder beispielsweise haben dies schon lange erkannt. Sie investieren bedeutend mehr als andere Länder in die Alterskategorie «50 plus». Sie ist lernfähig und meistens auch lernwillig.
In der Schweiz sind wir von einer breiten Verankerung eines lebenslangen Lernens also noch weit entfernt. Hier ist die Wirtschaft - und der Staat - in vielfältiger Weise gefordert: Steuerliche Anreize und nicht steuerliche Bestrafung sollen als Stichworte dienen.
Just-in-time-Learning
Wer in jungen Jahren verpasst hat, seinen Schulsack zu füllen, der hatte bisher geringere Chancen, dies später mit Weiterbildung aufzuholen. Seit jeder weiss, dass lebenslanges Lernen «in» und die Lebensstelle «out» ist, hat sich der typische Bildungsweg aber massgeblich verändert. Der Wandel scheint die einzige Konstante unserer Zeit zu sein. In dem Masse, in dem die Zukunft unvorhersehbarer wird, verliert Wissen an Wert, wenn es nicht ständig aktualisiert wird. Flexibilität und Engagement sind unabdingbar geworden.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war Ausbildung beschränkt auf Kindheit und Jugendjahre. Dieser Vorrat wurde dann während des ganzen beruflichen Lebens angezapft und abgetragen. Heute geht der Trend hin zu immer kürzeren Grundausbildungen. Lange Ausbildungswege bieten oft Inhalte, die beim Eintritt in die praktische Arbeit bereits veraltet sind. Darum wird das Pauken heute zum Just-in-time-Learning, abgestimmt auf den aktuellen Bedarf.
Verkürzte Halbwertszeit
Die Halbwertszeit des Wissens verkürzt sich immer mehr. Auf Vorrat lernen ist daher nicht mehr sinnvoll. Längere Lernblöcke drängen sich nur auf, wenn grössere Veränderungsschritte, wie ein Berufswechsel, angestrebt werden.
Zusätzliches Wissen auf unterschiedlichen Gebieten erleichtert auch den Aufstieg auf der sozialen Leiter und bewegt das Salär mit nach oben. Deshalb gilt: Die Grundausbildung soll verkürzt und die berufsbegleitende Weiterbildung wesentlich verstärkt werden. So wird die «lernende Organisation» im Unternehmen Realität. Karrieren verlaufen immer seltener vertikal. Der Bedarf an Führungskräften wird zurückgehen. Wie machen wir da Karriere?
Da Unternehmen und Organisationen immer flacher werden, stehen künftig horizontale Know-how-Karrieren im Vordergrund. Immer neues Wissen gibt uns im Arbeitsleben zusätzliche Möglichkeiten. Diplome werden in Zukunft immer weniger wichtig. Als entscheidender Leistungsausweis gilt der Lebenslauf, worin dokumentiert wird, wie man das Wissen umgesetzt, was man bei den einzelnen Positionen und Arbeitgebern bewirkt und wie man sich dort ausgezeichnet hat.
Lohnender Einsatz in die Persönlichkeitsentwicklung
Zeit ist kostbar und Geld für Aus- und Weiterbildung knapp. Wer seine Ressourcen sinnvoll investieren will, sollte neben «hartem» Fachwissen vor allem die eigene Persönlichkeit weiterentwickeln. Fachwissen braucht man zwar. Dieses veraltet aber schnell. Der Kapitaleinsatz in Selbstmanagement zeigt die beste Bildungsrendite und ist wichtiger denn je. Menschen, die einen Einblick gewinnen in ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie in die Art und Weise wie sie funktionieren, steigern die persönliche Effizienz.
Kurse mit Themen zur Persönlichkeitsentwicklung erschliessen andere Blickwinkel und neue Bewusstseinsfelder. Und etwas Entscheidendes kommt hinzu: Der Mensch lässt sich schwer in die beiden Felder Beruf und Privatleben zweiteilen. Erfahrungen mit der eigenen Person befruchten sowohl berufliches als auch privates Leben. Diese Erkenntnisse verbessern nachhaltig die Leistung, unabhängig davon, wie häufig der Beruf gewechselt und erarbeitetes Know-how über Bord geworfen wird. Patchwork-Lebensläufe sind inzwischen der Normalfall. Im Laufe ihrer Berufstätigkeit wechseln Menschen nicht nur mehrmals den Arbeitgeber, sondern oft den ganzen Beruf - im Durchschnitt sogar viermal. Die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsprofilen und Berufen ist bedeutend grösser als früher. In dieser Lage kommt es auf die Beschäftigungsfähigkeit an, die so genannte Employability. Je besser und dauernder man sich weiterbildet, umso mehr Chancen winken auf dem Arbeitsmarkt. Die Verantwortung für die Employability liegt heute nicht beim Unternehmen, sondern beim einzelnen Arbeitnehmer.
Jeder sollte sich Gedanken über sein Know-how-Profil machen. Die Entwicklung des richtigen Wissensportfolios sichert die künftige Beschäftigungsfähigkeit.
Auswahlkriterien
Berufliche Weiterbildung ist ein Muss. Doch die Fülle der Angebote macht die Wahl des Kurses nicht einfach. Es gibt sowohl auf der staatlichen als auch auf der privaten Ebene grosse Qualitätsunterschiede. Durch das starke Wachstum des Angebots in letzter Zeit hat die Qualität gelitten.
Es lohnt sich, sich Zeit für die Auswahl des richtigen Anbieters zu nehmen. Vor dem Entscheid für eine Institution sollte man den Ruf des Anbieters, das Vorhandensein kompetenter Referenten, die angebotenen Lernkonzepte, die Preisstrukturen und den Praxisbezug des Unterrichts überprüfen. Um die Aufnahmefähigkeit nicht zu überstrapazieren, sollten Ausbildungsblöcke nicht zu lang sein. Denn der Rückbehalt ist bei Blöcken zu vier Wochen mit Sicherheit kleiner als bei zweitägigen Seminaren. Mit dem Ansprechen früherer Teilnehmer lassen sich zudem grössere Fehltritte vermeiden.
Allgegenwärtiges Lernen
Lernen wird künftig sowohl im Berufs- als auch im Privatleben stattfinden. Ein kontinuierlicher Weiterentwicklungsprozess ist notwendig, und Offenheit, Motivation, Neugierde sowie Fantasie sind gefragt. Aus- und Weiterbildung bestimmen den Erfolg des Einzelnen, des Unternehmens und der Volkswirtschaft. Aktuelles Wissen neu zu kombinieren, bringt Innovationen.
Weiterbildung soll nicht durch den Staat befohlen werden. Weiterbildung hängt wie Bildung von der Bereitschaft, dem Interesse und der Motivation des Einzelnen ab. Dies verlangt klare Zielvorstellungen, Willen, persönliches Engagement und die Einsicht, dass ständiges Lernen unser faszinierender Begleiter im Leben ist und uns davor schützt, ein Opfer der Veränderung zu werden. Profitieren wir von den daraus entstehenden Chancen. Lernen erhält jung und ist ein Lebenselixier. Und Achtung: Es kann süchtig machen.
Dr. Fritz Haselbeck
Verwaltungsratspräsident
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