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13 april 2012 | Oberflächen POLYSURFACES 02/2012 | Contrôle de la qualité

Oberflächenanalytik für medizintechnische Produkte

Dr. Andreas Schäfer

Fast jeder, der sich mit der Thematik auseinandersetzt, wird es bestätigen können: Oberflächen und ihre Eigenschaften können teilweise zu recht komplexen Fragestellungen und Problemen führen. Wolfgang Pauli (Physik-Nobelpreis 1945) fasste dies einmal schön in folgendem Satz zusammen: «Gott schuf den Festkörper, der Teufel die Oberfläche». Gerade auch in der Medizintechnik besitzen Oberflächen eine besondere Relevanz. Unerwünschte Eigenschaften können einerseits zu Risiken und Produktmängeln wie zum Beispiel Verfärbungen führen. Andererseits schaffen gerade auch gezielt hergestellte Oberflächen erst die Basis für besonders hochwertige Produkte. Genannt seien hier beispielhaft die für einen verbesserten Halt im Knochenmaterial präparierten Oberflächen von Implantaten oder auch die durch eine spezielle Oberflächenbehandlung erreichbaren keimhemmenden Eigenschaften von Wundauflagen.

Solche und ähnliche Eigenschaften von Oberflächen sind in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus medizintechnischer Produkte gerückt. Damit einher geht auch ein gestiegener Bedarf diese Oberflächen zu untersuchen. Im Folgenden seien anhand von zwei einfachen Beispielen mögliche Anwendungen aufgezeigt.
Bild 1: Vergleich der Morphologie von zwei Implantatoberflächen mittels Elektronenmikroskopie.
 

Bewertung der Reinigung von Produktoberflächen
Ein Vorteil oberflächenanalytischer Verfahren wie zum Beispiel der Photoelektronenspektroskopie (XPS), Sekundärionenmassenspektroskopie (TOF-SIMS) oder auch die Rasterelektronenmikroskopie mit kombinierter Röntgenmikrobereichsanalytik (REM/EDX) im Vergleich zu einer klassischen chemischen Extraktion der Oberflächen besteht unter anderem darin, dass die erfolgte Reinigung beziehungsweise allenfalls verbleibende Rückstände oder Kontaminationen direkt auf der zu prüfenden Oberfläche nachgewiesen werden können. Eine mehr oder weniger gute Löslichkeit der Rückstände in einem verwendeten Lösungsmittel spielt somit keine Rolle.
Bei einer solchen Prüfung kann REM/EDX eingesetzt werden, um partikuläre Rückstände in oder auf der Oberfläche zu finden und chemisch zu charakterisieren. Dabei kann es sich zum Beispiel um anhaftende Partikel einer zuvor erfolgen mechanischen Reinigung handeln. Gleichzeitig lässt sich der Einfluss von Vorbehandlungen oder Reinigungsprozeduren auf die Oberflächenmorphologie untersuchen. Ein Beispiel für die Morphologie von Titanimplantatoberflächen ist in Bild 1 zu sehen.
Demgegenüber erlaubt TOF-SIMS die Identifizierung der auf der Oberfläche vorhandenen chemischen Substanzen. Auch die Charakterisierung komplexer Mischungen organischer Substanzen (z. B. aus Additiven, Tensiden oder Gleitmitteln) ist mit dieser Methode möglich. Neben der Bewertung von Reinigungsverfahren kann die Methode daher auch wertvolle Hinweise für die Aufklärung bei Haftungsproblemen liefern.
Die XPS erlaubt ergänzend eine Quantifizierung der Belegung und eine Bestimmung einer möglichen Oxidation der Oberfläche. Solche Veränderungen der Oberfläche können gewollt sein, zum Beispiel bei einer Vorbehandlung. In anderen Fällen können sie jedoch auch das Resultat unerwünschter Alterungsprozesse sein, beispielsweise als Ergebnis einer durchgeführten Sterilisation.
Bild 2: Cryo-Ultramikrotomschnitt an einer beschichteten Stentoberfläche (links) sowie Rasterkraftmikroskopie (AFM) der Beschichtung. Hell sind eingebettete Wirkstoffpartikel erkennbar.
 

Freisetzung von Wirkstoffen
Neben den vorstehend beschriebenen Eigenschaften von Oberflächen können diese auch eine aktive Funktion in einem medizintechnischen Produkt übernehmen. Im vorliegenden Fall verstehen wir darunter eine Beschichtung auf einem Stent, die über einen gewissen Zeitraum im Körper einen Wirkstoff freisetzen kann. Er soll die Funktion des Stents über einen längeren Zeitraum sicherstellen als es ohne diesen Wirkstoff möglich wäre.
Der Wirkstoff wird dazu in ein polymeres Matrixsystem eingearbeitet, mit dem der metallische Stent beschichtet wird. Da der Wirkstoff und die polymere Matrix sich nicht vollständig mischen, sind beide als phasensepariertes System in der Beschichtung nachweisbar. Dieser Nachweis kann gut mittels der Rasterkraftmikroskopie (AFM) geführt werden. Bild 2 zeigt einen Anschnitt der Beschichtung sowie ein AFM-Bild, in dem die Wirkstoffphase als helle Punkte erkennbar ist.
Wird das Polymersystem zum Beispiel in Pufferlösung gelagert, kann man das Herauslösen des Wirkstoffes anhand des Fehlens der Wirkstoffphase in den AFM-Bildern quantitativ im Vergleich zur nicht ausgelagerten Probe ermitteln. Indem mehrere Messungen über den angeschnittenen Bereich gelegt werden, Lässt sich zudem die Wirkstofffreisetzung sowohl an der Oberfläche der Probe als auch als Funktion der Tiefe bestimmen.
 
Fazit
Anhand zweier Beispiele wurde gezeigt, wie oberflächen-, grenzflächen- und mikrobereichsanalytische Verfahren zur Lösung von Fragestellungen im Bereich der Medizintechnik und Pharmazie beitragen können. Vor allem im Bereich der Entwicklung, Qualitätssicherung und in der Fehleranalyse erlauben die Methoden Einsichten in die Produkte und ihre Eigenschaften, die sowohl den Produkten auf dem Markt als auch den Patienten zugutekommen.
 
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