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27 february 2018 | Oberflächen POLYSURFACES 04/2017 | Traitement mécanique de surfaces

Präzisionsoberflächen wirtschaftlich herstellen

Doris Schulz

Sehr anspruchsvolle Spezifikationen hinsichtlich Toleranzen und Oberflächengüte kennzeichnen die Fertigung von Präzisionsteilen heutzutage. Innovative und weiterentwickelte Verfahren für das Entgraten und Oberflächenfinish sowie die Formgebung ermöglichen es, sowohl die Qualität und Produktivität als auch die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.
Bei der Herstellung qualitativ hochwertiger Bauteile rücken neben den eigentlichen Produktionsverfahren zwischen- und nachgelagerte Prozesse wie die Entgratung und die Oberflächenveredelung immer mehr in den Fokus. Es geht dabei einerseits um gratfreie Bauteile und Werkstücke mit definierten Kanten und Verrundungen oder einem Oberflächenfinish, das Reibung, Verschleiss und Geräuschentwicklung minimiert sowie Leistungs- und Lebensdauersteigerungen ermöglicht. Andererseits werden Fertigungsschritte zur exakten Formgebung gefordert, wobei Bearbeitung und Oberflächenfinish zunehmend ineinander fliessen. Um diese Herausforderungen zu meistern, stehen innovative und weiterentwickelte Verfahren zur Verfügung, die sich bei hoher Produktivität und Wirtschaftlichkeit optimal an die Aufgabe anpassen lassen und prozesssicher reproduzierbare Ergebnisse liefern.

 
Bei der ECM-Bearbeitung erfolgt in einer wässrigen Elektrolytlösung zwischen Kathode und Anode (Bauteil) ein Ladungsaustausch, durch den das Werkstück gezielt und präzise bearbeitet wird. (Bild: EMAG ECM GmbH)
 



Elektrochemische Bearbeitung metallischer Werkstücke
Bei der elektrochemischen Bearbeitung (ECM), die unter anderem in der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie, dem Werkzeugbau sowie in der Medizin-, Mikrosystem- und Energieindustrie auch für die Grossserienfertigung eingesetzt wird, erfolgt an der Oberfläche des Werkstücks ein anodischer Metallabtrag. Das Verfahren ermöglicht sowohl die Entgratung an schwer zugänglichen Bereichen, beispielsweise innenliegenden Bohrungsverschneidungen und Taschen, als auch gratfreie, formgebende Prozesse. Für die Bearbeitung werden das Bearbeitungswerkzeug, eine Kathode, und das Bauteil als Anode an eine Gleichspannungsquelle (Generator) angeschlossen. Durch den Ladungsaustausch zwischen Kathode und Anode in einer wässrigen Elektrolytlösung wird das Bauteil hochpräzise und unabhängig vom Gefügezustand des Metalls bearbeitet. So lassen sich selbst sehr kleine und dünnwandige Konturen, Verrundungen, Kanäle, Nuten und Auskesselungen in Werkstücken aus praktisch allen leitenden Metallen erzeugen. Da die Bearbeitung berührungslos erfolgt, kommt es weder zu einem prozessbedingten Werkzeugverschleiss noch zu einer thermischen oder mechanischen Beeinflussung des Werkstücks.
Die Eigenschaft und Form der Werkzeugaufnahme bestimmen, wo und wie viel Material vom Werkstück abgetragen wird. Die Leistung des Generators wird abhängig von der Grösse der gleichzeitig zu bearbeitenden Oberfläche ausgewählt und entscheidet auch über die Geschwindigkeit des Materialabtrags sowie über die erzielbare Oberflächenrauigkeit. Neu entwickelte Generatoren erreichen Ra-Werte von 0,1 µm und besser – je nach Ausgangszustand. Zudem vermeiden sie das so genannte Stray Machining, das in Randbereichen der Anode zu einem schlechteren Bearbeitungsergebnis führen kann.
 
Die Formgebung der Schaufelkonturen und das Finishing (Rauheit an Front und Seiten) werden in einem Bearbeitungsvorgang erreicht. (Bild: Extrude Hone GmbH)
 



Dreidimensional und noch genauer
Geht es um den eigentlichen Prozess, erfolgen die ECM-Bearbeitung und die elektrochemische Präzisionsbearbeitung (PECM) nach identischem Prinzip. Wesentliche Unterschiede liegen einerseits im Abstand der Kathode zum Werkstück. Andererseits wird beim PECM mit einer oszillierenden Kathode gearbeitet. Dies ermöglicht, dass ähnlich wie beim Funkenerodieren (EDM) dreidimensionale Formen, Konturen und Strukturen in sehr hoher Präzision und Oberflächenqualität erzeugt werden können. So lassen sich Ra-Werte von 0,03 µm erzielen.
Im Vergleich zum EDM-Verfahren erfolgt die Bearbeitung mit höherer Genauigkeit hinsichtlich der Bauteildimensionen und -toleranzen sowie ohne thermische Beeinflussung. Ein weiterer Vorteil des PECM-Verfahrens gegenüber einer konventionellen Fertigung liegt in der deutlich kürzeren Bearbeitungszeit. Vergleiche, für die ein Bauteil konventionell – Erodieren, Fräsen, Bohren, Schleifen, Entgraten und Läppen – und im PECM-Prozess mit anschliessendem Schleifvorgang gefertigt wurden, ergaben eine Reduzierung der reinen Fertigungszeit um 90%. Neben der Formgebung wird das PECM-Verfahren auch zur Mikrostrukturierung von Oberflächen eingesetzt, beispielsweise zur Optimierung der Tribologie.
 
Ein speziell für die Bearbeitung additiv gefertigter Teile entwickeltes ECM-Verfahren ermöglicht die Verbesserung von Mikro- und Makrostrukturen an Innen- und Aussenflächen in einer Bearbeitung. (Bild: Extrude Hone GmbH)
 
 

Innovatives ECM-Verfahren für additive gefertigte Bauteile
Additiv gefertigte Bauteile haben sich bereits in verschiedenen Branchen wie der Luftfahrt und Medizintechnik etabliert. Eine grosse Herausforderung ist jedoch nach wie vor deren schlechtes Oberflächenfinish nach dem Drucken und so genannte «Pickel», die nach der Entfernung der Stützkonstruktion am Teil verbleiben.
Das neue ECM-Verfahren «Coolpulse» wurde unter anderem speziell für die Oberflächenveredelung von 3D-gedruckten, metallischen Komponenten entwickelt. Es ermöglicht die Verbesserung von Mikro- und Makrostrukturen an Innen- und Aussenflächen in einer Bearbeitung, wobei innerhalb kurzer Zykluszeiten definierte Oberflächeneigenschaften reproduzierbar erzielt werden. Zudem lassen sich Reste von Stützkonstruktionen ebenso entfernen wie Oberflächendefekte, die in 3D-Druckprozessen auftreten können.
 
Schematische Darstellung einer AFM-Maschine. (Bild: Fraunhofer IPK)
 



Strömungsschleifen für den Oberflächenfinish
Das Druckfliessläppen, auch bekannt als Strömungsschleifen und Abrasive Flow Machining (AFM), kommt vorrangig zur Bearbeitung schwer zugänglicher Werkstückbereiche und innenliegender Flächen von hochwertigen Komponenten aus Metall und Keramik zum Einsatz, die man mit herkömmlichen Verfahren nicht bearbeiten kann. Typische Anwendung sind das Verrunden, Polieren und Entgraten sowie die Geometrieoptimierung und die Minimierung von Oberflächenspannungen. Für den Prozess werden das oder die Werkstücke in einer oder mehreren Vorrichtungen der AFM-Maschine fixiert. Das Bearbeitungsmedium – Schleifkörner, die in Art, Grösse und Konzentration an die jeweilige Aufgabe angepasst und in eine polymere Kunststoffmasse mit definierter Viskosität eingebettet sind, wird durch hydraulisch angetriebene Kolben unter definiertem Druck in wechselnder Richtung durch beziehungsweise über den zu bearbeitenden Bauteilbereich geströmt. Das Schleifmedium arbeitet dabei wie eine flüssige Feile. Für ein reproduzierbares Ergebnis werden die Prozessparameter kontinuierlich überwacht.
Mit dem AFM-Verfahren lässt sich eine Verbesserung der Oberflächenrauigkeit im Bereich des Fünf- bis Achtfachen des Ausgangszustands erreichen. Eingesetzt wird es beispielsweise in der Automobilindustrie, in der Kunststoff- und Aluminiumindustrie sowie im Werkzeug- und Formenbau unter anderem für die Bearbeitung von Matrizen, Tablettier- und Ziehformen. Die Medizintechnik, die Luft- und Raumfahrt sowie der Textilmaschinenbau sind weitere Branchen, in denen es sich bewährt hat. Die additive Fertigung von metallischen Komponenten in der modernen Industrieproduktion eröffnet ein weiteres Anwendungsfeld.
 
Durch das Strömungsschleifen lässt sich die Oberflächenrauigkeit um das Fünf- bis Achtfache des Ausgangszustands verbessern. Gleichzeitig werden Oberflächenspannungen verringert. (Bild: 4MI GmbH)
 



Neue Perspektiven beim Gleitschleifen
Bei Surf-, Stream- und Pulsfinish-Verfahren handelt es sich um Gleitschlifflösungen für die Einzelteilbearbeitung, die sich einfach in automatisierte Linienfertigungen integrieren lassen. Diese neuen Entwicklungen ermöglichen das hochgenaue, prozesssichere Entgraten, Kantenverrunden, Glätten, Schleifen und Polieren von hochwertigen, geometrisch komplexen Bauteilen wie beispielsweise Maschinenwerkzeugen, Motoren-, Getriebe- und Turbinenbauteilen sowie Implantaten im Fertigungstakt. Es sind dies also Aufgabenstellungen, die bisher meistens zeit- und kostenaufwendig manuell durchgeführt werden mussten, weil es keine automatisierten Lösungen gab.
Beim Pulsfinishen basiert die Wirkung auf der optimal abgestimmten Relativbewegung zwischen Bearbeitungsmedium und Werkstück. Letzteres wird, beispielsweise in einer Spannzange, aufgenommen und im rotierenden Arbeitsbehälter in kürzester Zeit auf bis zu 2000 U/min beschleunigt, dann abgebremst und wieder beschleunigt usw. Im Zusammenspiel mit der Trägheit des Bearbeitungsmediums – das heisst, durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Werkstück und Schleifkörpern - entsteht die angestrebte Schleifwirkung mit präziser Entgratung auch in bislang für das Gleitschleifen unzugänglichen Stellen wie zum Beispiel Querbohrungen bei Hydraulikelementen.
 
Diese in die Automobil-Grossserienfertigung eingebundene Streamfinish-Anlage mit Pulsantrieb kommt für das vollautomatische Entgraten, Verrunden und Glätten von Nockenwellen zum Einsatz. Die Verringerung der Rautiefe von beispielsweise 0,2 auf 0,1 µm erfolgt in weniger als einer Minute. (Bild: OTEC GmbH)
 



Polieren mit Plasma
Das Plasmapolieren ist wie das Elektropolieren ein elektrolytisches Verfahren. Es arbeitet jedoch mit einer als ökologisch unbedenklich geltenden Salzlösung als Elektrolyt und mit einer höheren Spannung. Durch diese bildet sich nach dem Eintauchen des anodisch gepolten, metallischen Werkstücks in das elektrolytische Bad prozessbedingt ein Plasma. Es überzieht das Werkstück und führt zu einer Verringerung der Rauheit sowie zur Entfernung von organischen und anorganischen Verunreinigungen bei minimalem Masseverlust. Der typische Materialabtrag liegt je nach Materialspezifikation zwischen 2 und 8 µm/min. Die erreichbaren Rauheitswerte sind kleiner als 0,01 µm. Die geometrische Form des Bauteils bleibt nahezu erhalten.
 
Durch das Plasmapolieren, bei dem mit einem Elektrolyten aus 98% Wasser und 2% Salz gearbeitet wird, wurden sowohl die Grate, Frässpuren und Materialaufkantungen entfernt und glatte, homogene Oberflächen erzielt. (Bild: Plasotec GmbH)
 

 
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