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22 october 2015 | La Revue POLYTECHNIQUE

Sparen durch optimal ausgelegte Reinigung

Doris Schulz

Bauteilreinigung ein wertschöpfender Fertigungsschritt? Die in den letzten Jahren in praktisch allen Industriebereichen gestiegenen Anforderungen an die technische Sauberkeit von Bauteilen haben die industrielle Teilereinigung dazu gemacht. Denn die Qualität nachfolgender Bearbeitungsprozesse beziehungsweise eines fertigen Produkts hängt in vielen Fällen entscheidend von der Sauberkeit der Bauteile ab. Ein Patentrezept, wie sich vorgegebene Sauberkeitsspezifikationen stabil und wirtschaftlich erzielen lassen, gibt es nicht. Jede Reinigungsaufgabe erfordert eine individuell abgestimmte Lösung. Die Industrie bietet dafür unterschiedliche Verfahren, die auch in Kombination eingesetzt werden.

Einen kompletten Überblick bietet die «parts2clean», die internationale Leitmesse für industrielle Teile- und Oberflächenreinigung, die vom 9. bis 11. Juni 2015 auf dem Stuttgarter Messegelände stattfindet. Sie ermöglicht unter anderem umfassende Informationen über Reinigungssysteme, alternative Reinigungstechniken, Reinigungsmedien, Qualitätssicherungs- und Prüfverfahren, Reinigungs- und Transportbehältnisse, Entsorgung und Wiederaufbereitung von Prozessmedien, Handling und Automation.
 
Wesentliche Kriterien für die Wirkung des Spritzverfahrens sind Form und Anordnung der Düsen sowie der Spritzdruck. (Bild: Mafac)
 

Nasschemische Reinigung – das Medium entscheidet
Ob spanend oder umformend hergestellte Teile: die nasschemische Reinigung ist in der metallbe- und -verarbeitenden Industrie die am häufigsten eingesetzte Technik. Bei der Auswahl des Reinigungsmediums empfiehlt es sich, dem chemischen Grundsatz «Gleiches löst Gleiches» zu folgen. Dies bedeutet: Bei mineralölbasierten (unpolaren) Verschmutzungen wie etwa Bearbeitungsölen, Fetten und Wachsen ist meistens ein Lösemittel die richtige Wahl. Um eine fettfreie Oberfläche zu erhalten, kommen Lösemittel häufig auch für Reinigungsschritte vor Beschichtungen und Wärmebehandlungen zum Einsatz.
Wässrige Reiniger werden üblicherweise bei wasserbasierten (polaren) Verunreinigungen wie Kühl- und Schmieremulsionen, Polierpasten, Additiven, Salzen, Abrieb und anderen Feststoffe bevorzugt eingesetzt.
 
Dieses Anlagenkonzept wurde für die Reinigung unterschiedlicher Gehäuseteile im Spritzverfahren mit horizontaler Drehung der Werkstückträger ausgelegt. Um spezifischen Bohrungen zu erreichen, sind die Düsen genau ausgerichtet sowie auch stirn- und rückseitig spezielle Düsenrahmen integriert. (Bild: BvL)
 

Reinigungseffizienz: eine Frage des Zusammenspiels von Medium und Verfahrenstechnik
Um bei nasschemischen Reinigungsprozessen das geforderte Ergebnis innerhalb kurzer Zeit zu erzielen, wird die Wirkung des Mediums durch unterschiedlich stark wirkende physikalische Verfahrenstechnik unterstützt. Häufig eingesetzte Verfahren dabei sind Spritzen, Tauchen, Ultraschall und Druckumfluten.
Bei der Spritzreinigung wird das Medium mit hohem Druck – beim allgemeinen Reinigen in der Regel bei 6 bis 8 bar, beim gezielten Reinigen zwischen 20 und 25 bar – durch Düsen auf die zu reinigende Oberfläche gespritzt. Die Verunreinigungen werden dabei teilweise durch die chemische Wirkung des Mediums gelöst beziehungsweise emulgiert und teilweise durch die hohe kinetische Energie des Spritzstrahls weggeschwemmt. Massgebend für die Wirkung des Spritzverfahrens sind Form und Anordnung der Düsen sowie der Spritzdruck. Um eine gleichmässige Reinigung aller Bauteiloberflächen zu gewährleisten, kann eine Bewegung des Teils und/oder der Düsen erforderlich sein.
 
Teile mit komplexer Geometrie, beispielsweise mit Sacklochbohrungen oder Hinterschneidungen, werden bevorzugt im Tauchreinigungsverfahren gereinigt. Ein Drehen der Teile im Reinigungsbad verstärkt die Reinigungswirkung. (Bild: Hoeckh)
 

Teile mit komplexer Geometrie, beispielsweise mit Sacklochbohrungen oder Hinterschneidungen, werden bevorzugt im Tauchreinigungsverfahren gereinigt. Beim Eintauchen des Werkstücks in das Reinigungsbad lösen sich anhaftende Verschmutzungen durch die chemische Wirkung des Reinigungsmediums. Drehen oder Schwenken der Teile im Bad verstärkt die Reinigungswirkung.
Tauchen ist auch Basis für die Ultraschallreinigung, mit der sich in verhältnismässig kurzen Behandlungszeiten sehr hohe Reinheitsgrade erzielen lassen. Die Schallwellen werden durch einen Generator erzeugt, der die normale Netzfrequenz in hochfrequente Schwingungen umwandelt. Sie werden durch Stab- oder Plattenschwinger in mechanische Schwingungen gleicher Frequenz umgesetzt und in ein Flüssigkeitsbad abgegeben. Dort kommt es dann zu einem physikalischen Effekt, der Kavitation: Durch die hohe Intensität des Schallwechseldrucks in der Zugphase der Schwingung «reisst» die Flüssigkeit auf. Dadurch bilden sich Millionen mikroskopisch kleine Bläschen. In der anschliessenden Druckphase werden die Kavitationsblasen instabil, fallen in sich zusammen (implodieren). Dabei entstehen Stosswellen mit erheblicher Energie, durch die partikuläre und filmische Kontaminationen an den zu reinigenden Bauteilen geradezu «abgesprengt» werden. Gleichzeitig entstehen in der Flüssigkeit Mikroströmungen, die ab- beziehungsweise angelöste Verunreinigungen wegspülen. Durch diese Effekte werden Verunreinigungen nicht nur von der Oberfläche entfernt, sondern auch aus komplexen Geometrien, Hohlräumen, Bohrungen sowie aus Gräben von Mik­rostrukturen. Für das Reinigungsergebnis spielt die Ultraschallfrequenz eine entscheidende Rolle. Generell gilt: Je niedriger die Frequenz, desto höher die durch die Schallwellen freigesetzte Energie. Eine zu tiefe Frequenz kann daher bei empfindlichem Reinigungsgut zu Beschädigungen, eine zu hohe Frequenz zu einem nicht anforderungsgerechten Reinigungsergebnis führen.
 
Für eine effektive Ultraschallreinigung ist diese Anlage mit mehreren in der Arbeitskammer angeordneten Stabschwingern ausgestattet. (Bild: Dürr Ecoclean)

 
Das Druckumfluten erfolgt ebenfalls im Tauchbad. Pumpen saugen Flüssigkeit aus dem Reinigungsbad an, um sie anschliessend mit hohem Druck durch ein unterhalb des Flüssigkeitsspiegels angeordnetes Düsensystem zurückzuleiten. Im Bad entstehen dabei starke Strömungen, durch die es an den Bauteilkanten zu Turbulenzen kommt, welche die Verunreinigungen ablösen. Beim Vorbeiströmen an Sacklöchern und Vertiefungen bildet sich zudem eine Sogwirkung, die darin befindliche Verschmutzungen «herauszieht».
Vor allem in Einkammer-Reinigungsanlagen werden diese verschiedenen Verfahren häufig kombiniert eingesetzt. Wesentliche Faktoren bei der Auswahl eines nasschemischen Reinigungsprozesses sind Bauteilgeometrie, Werkstoff, Art und Grad der Verschmutzung, Reinigungsmedium, Verfahren, Behandlungsdauer, Anzahl der Verfahrensschritte, Durchsatz und Sauberkeitsanforderungen. Reinigungsversuche bei den Anlagen- oder Medienhersteller mit originalverschmutzten Teilen ermöglichen eine exakte Abstimmung der Parameter.
 
Bei diesem Reinigungssystem wurden nicht nur verschiedene Verfahren wie Druckumfluten, Ultraschall sowie Drehen des Werkstücks um die eigene Achse integriert. Sie ermöglicht auch die Kombination von Reinigungsschritten mit wässrigen Medien und Lösemitteln in einer Anlage. (Bild: EMO)
 

Eiskalte und einfach automatisierbare Alternative
Bei der CO2-Schneestrahlreinigung dient flüssiges Kohlendioxid als Reinigungsmedium. Es entsteht als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen und der Energiegewinnung aus Biomasse. Das Reinigungsverfahren gilt daher als umweltneutral. Das Kohlendioxid wird durch eine Düse geleitet und entspannt beim Austritt zu feinen Schneekristallen. Diese werden durch Druckluft gebündelt und auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt. Beim Auftreffen des Schnee-Druckluft-Strahls auf die zu reinigende Oberfläche kommt es zu einer Kombination aus thermischem, mechanischem, Sublimations- und Lösemitteleffekt. Diese Wirkmechanismen entfernen partikuläre und filmische Verunreinigungen trocken und rückstandsfrei von nahezu allen Materialien.
Mit diesem Verfahren lassen sich einerseits komplette Bauteile reinigen, beispielsweise Stossfänger vor dem Lackieren. Andererseits ermöglicht es, definierte Funktionsbereiche wie beispielsweise Dicht-, Klebe-, Schweiss-, Bond- und Messflächen gezielt zu behandeln, ohne dass das komplette Bauteil aufwendig auf den für die Funktionsfläche erforderlichen Reinheitsgrad «gebracht» werden muss. Weitere Vorteile sind ein geringer Platzbedarf und eine einfache Automatisierbarkeit mit abgestimmtem Teilehandling. Die Reinigung lässt sich daher auch optimal in vollautomatisierte Fertigungs-, Montage- und Verpackungslinien integrieren.
 
Das mit zwei Düsen ausgestattete CO2-Schneestrahl-Reinigungssystem ermöglicht die gleichzeitige Innen- und Aussenreinigung des Bauteils direkt in der Montagelinie. (Bild: acp)
 

Reinigung mit Zusatzeffekten
Mit der Plasmatechnik lassen sich Teile aus unterschiedlichen Materialien wie Stahl, NE-Metallen und Kunststoffen im Batchprozess und als Einzelteile effektiv behandeln. Dabei werden unpolare Verschmutzungen auch aus komplizierten Geometrien mit engen Radien, Hinterschneidungen, Bohrungen und Schlitzen zuverlässig entfernt.
Bei einem Plasma handelt es sich um ein gasförmiges Gemisch aus Atomen, Molekülen, Ionen und freien Elektronen. Je nach Anwendungsfall lassen sich unterschiedliche Plasmagase einsetzen, durch welche die Oberfläche gleichzeitig gereinigt und aktiviert wird. Diese Doppelfunktion beruht auf einer physikalischen und chemischen Reaktion des Verfahrens: Die im Plasma frei gewordenen Atome «bombardieren» die Oberfläche des zu reinigenden Werkstücks. Dies wirkt wie ein Mikrostandstrahlen im Nanometerbereich, wodurch dünnschichtige, organische Verschmutzungen wie Öle und Fette entfernt werden. Gleichzeitig setzen sich freie Ionen und Elektronen auf der Oberfläche ab und gehen mit dieser eine chemische Bindung ein. Dies führt dazu, dass die Oberflächenspannung auf einen für beispielsweise nachfolgende Beschichtungs-, Klebe oder Veredelungsprozesse optimalen Wert gebracht wird.
 
Deutsche Messe AG
D-30521 Hannover
www.messe.de
www.parts2clean.de