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12 november 2019 | Oberflächen POLYSURFACES 03/2019 | Cleaning

Technische Sauberkeit von Präzisionsbauteilen

Doris Schulz

Anforderungen an die partikuläre Sauberkeit von einem Mikrometer und darunter sowie strengste Spezifikationen hinsichtlich filmisch-chemischer Oberflächenkontaminationen sind kennzeichnend für die Reinigung von Präzisionsbauteilen. Branchen- und teilespezifisch kommen Ausgasungsgrenzwerte von flüchtigen, organischen und anorganischen Verunreinigungen im Atomprozentbereich als Sauberkeitskriterium hinzu. Es handelt sich dabei einerseits um Bauteile mit häufig komplexer Geometrie für Hightech-Branchen wie die Medizin- und Messtechnik, Mikro- und Sensortechnik, Halbleiter-Zulieferindustrie und Elektronik. Andererseits stellen veränderte Komponenten, beispielsweise für die Elektrifizierung des Antriebsstrangs oder von Lösungen für Fahrerassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren, neue und höhere Anforderungen an die Teilereinigung.
 
Ob wie hier optische Gläser oder aus anderen Werkstoffen gefertigte Präzisionsbauteile gereinigt werden, sie stellen besonders hohe Anforderungen an die Bauteilreinigung. (Bild: UCM/Zeiss)
 
 

Grundvoraussetzung sind «saubere» Vorprozesse
So unterschiedlich die Werkstücke, Einsatzbereiche und Sauberkeitsspezifikationen auch sein mögen, die Bauteilreinigung ist bei der Herstellung von Präzisionsteilen eine der anspruchsvollsten Aufgaben innerhalb der Produktionskette. Um die spezifischen Anforderungen an die Bauteilsauberkeit stabil erfüllen zu können, ist ein adäquater Eingangszustand erforderlich. Dies beinhaltet unter anderem Güte und Sauberkeit der vorgelagerten Bearbeitungsschritte, das Oberflächenfinish und die Entgratungsqualität. Ein weiterer Aspekt ist, dass bei Zerspanungs-, Umform- und Oberflächenveredelungs-Prozessen Organik in Innenradien eingearbeitet werden oder es beispielsweise durch Strahlprozesse zu einem Eintrag fremder Anorganik kommen kann. Darüber hinaus spielen definierte Umgebungs- und Handlingsbedingungen eine wichtige Rolle.
 
Ultraschall-Reinigungslösungen, die mit mehreren sowie höheren Frequenzen ausgestattet sind, ermöglichen auch in schwerer zugänglichen Bereichen wie engen Zwischenräumen, Poren und Hinterschneidungen Verunreinigungen zu entfernen. (Bild: Weber Ultrasonics)
 
 

Nasschemische Feinstreinigung
Die Präzisionsreinigung erfolgt nach wie vor überwiegend in nasschemischen Verfahren. Wie bei allen nasschemischen Reinigungsprozessen bilden in Chemie, Anlagen- und Verfahrenstechnik, Medienaufbereitung sowie Mess- und Prüftechnik optimal an die Aufgabe angepasste Verfahren die Basis, um das geforderte Ergebnis prozesssicher zu erreichen. Bei der Auswahl empfiehlt es sich, ein Augenmerk darauf zu haben, dass Ausformungen wie Hinterschnitte, Sacklochbohrungen, Kapillar-, Lumen- beziehungsweise Porenstrukturen von geometrisch komplexen Bauteilen die Wirkung der Reinigungsmedien und -verfahren beeinflussen.
Eine Herausforderung stellen auch Sintermetall- und additiv gefertigte Komponenten dar. Denn das Reinigungsmedium und die Waschmechanik gelangen teilweise nur schwer in bestimmte Bereiche, so dass ein Medienaustausch nur bedingt stattfindet. Abhilfe können hier beispielsweise Ultraschall-Reinigungslösungen schaffen, bei denen mit mehreren sowie höheren Frequenzen (z. B. 58, 80 und 132 kHz) und in Kombination mit Vakuum gearbeitet wird. Das Vakuum verstärkt den Kavitationseffekt der Ultraschallwellen und damit die Reinigungswirkung: Ein weiteres Verfahren für diese herausfordernden Aufgabenstellungen ist die zyklische Nukleation (CNp). Es basiert ebenfalls auf dem physikalischen Effekt der Kavitation, die hier mit einem asymmetrischen Volumenstrom kombiniert ist. Bei eingearbeiteten Kontaminationen kann die Waschmechanik nur unterstützend wirken. Die Entfernung erfolgt daher häufig durch einen gezielten nasschemischen Oberflächenangriff in wasserbasierten Prozessen mit einem entsprechend ausgelegten Reinigungsmedium.
 
Diese geschlossene, reinraumfähige Kammer-Reinigungsanlage ist durch ihre Ausstattung, unter anderem mit dem CNp-Verfahren, für die Reinigung von Präzisionsbauteilen ausgelegt. (Bild: LPW Reinigungssysteme)
 

 
Eine Ausstattung für die kontinuierliche Kontrolle und Erfassung von Anlagen- und Prozessparametern ist bei nasschemischen Anlagen für die Präzisionsreinigung häufig schon Standard. Messsysteme für die permanente Inline-Überwachung und Steuerung der Reinigungsbäder ermöglichen nicht nur die exakte Dokumentation der Zustände während der Reinigung, sondern auch die bedarfsgerechte, automatische Reinigernachdosierung.
 
Definierte Umgebungs- und Handlingsbedingungen, beispielsweise ein Sauber- oder wie hier ein Reinraum, sind bei der Reinigung von Präzisionsteilen unverzichtbar, um hohe Sauberkeitsvorgaben zu erfüllen. (Bild: Fraunhofer IPA)
 
 

Lösungen für die trockene Präzisionsreinigung
Für Aufgaben in der Präzisionsreinigung werden zunehmend auch trockene Verfahren wie beispielsweise die Druckluft-, Plasma-, und CO2-Schneestrahlreinigung eingesetzt. Ausschlaggebend dafür ist einerseits, dass Bauteile sowohl ganzflächig als auch selektiv gereinigt werden können. Andererseits ist es die Möglichkeit, diese Reinigungslösungen abgestimmt auf die spezifischen Anforderungen zu automatisieren und in Fertigungslinien zu integrieren.
Beim Einsatz von aufbereiteter Druckluft ist die Art der Applikation entscheidend für die Qualität der Reinigung. Um eine optimale Luftführung und damit bestmögliche Reinigungswirkung zu erzielen, wird unter anderem mit Strömungssimulationen für die einzusetzenden Düsen gearbeitet. Darüber hinaus ermöglicht die additive Fertigung die Herstellung eines angepassten Düsenkörpers mit unterschiedlichen Düsenfunktionen.
Mit der Plasmareinigung lassen sich dünne organische Restkontaminationen entfernen. Die Oberfläche wird dabei gleichzeitig gereinigt und aktiviert. Diese Doppelfunktion beruht auf einer physikalischen und chemischen Reaktion des Verfahrens, durch die eine Erhöhung der Oberflächenenergie erreicht wird. Die Verwendung so genannter «kalter» Plasmaquellen ermöglicht es, auch temperatursensible Werkstoffe zu behandeln.
 
Die CO2-Schneestrahlreinigung lässt sich einfach automatisieren und in Fertigungslinien integrieren. Die Strahlqualität kann durch ein Sensorsystem bauteilindividuell kontinuierlich überwacht, und die Werte können digitalisiert an übergeordnete Produktionssysteme übermittelt werden. (Bild: acp systems)
 

 
Die CO2-Schneestrahlreinigung erfolgt mit flüssigem Kohlendioxid, das als Nebenprodukt bei chemischen Prozessen oder der Energiegewinnung aus Biomasse entsteht und für den Reinigungsprozess aufbereitet wird. Es wird durch eine verschleissfreie Zweistoffringdüse geleitet und entspannt beim Austritt zu feinen CO2-Kristallen. Diese werden durch einen ringförmigen Druckluft-Mantelstrahl gebündelt und auf Überschallgeschwindigkeit beschleunigt. Beim Auftreffen des Schnee-Druckluft-Strahls auf die zu reinigende Oberfläche kommt es zu einer Kombination aus thermischem, mechanischem, Sublimations- und Lösemitteleffekt. Durch diese vier Wirkmechanismen entfernt das Verfahren partikuläre und filmische Verunreinigungen prozesssicher und materialschonend, so dass es auch für empfindliche und fein strukturierte Oberflächen einsetzbar ist. Für die bauteilindividuelle Überwachung der Strahlqualität steht ein innovatives Sensorsystem zur Verfügung. Die kontinuierliche Kontrolle des Reinigungsparameters erfolgt bei minimalem Digitalisierungsaufwand direkt am Werkstück. Die ermittelten Werte lassen sich als digitale Informationen an übergeordnete Systeme übermitteln.
Mit vakuumbasierten Ausheizsystemen kann der letzte Reinigungsschritt bei Präzisionsbauteilen ebenfalls trocken durchgeführt werden. Restkontaminationen atmosphärischer Bestandteile werden dabei durch Temperatureinwirkung von der Oberfläche gelöst. Vakuumpumpen fördern die abgelösten Teilchen aus dem System. Eine modulare Konfiguration hinsichtlich Hard- und Software ermöglicht Lösungen, die auf den Kundenprozess und die Bauteile ausgelegt sind.
Unabhängig davon, mit welchem Verfahren Präzisionsbauteile gereinigt werden, ist auch ein Blick auf die Logistikkette erforderlich. Ermöglicht sie, dass die Teile im hohen Sauberkeitszustand zum nächsten Schritt transportiert werden können?
 
parts2clean - Internationale Leitmesse für industrielle Teile- und Oberflächenreinigung
Mit welchen Verfahren lassen sich Aufgaben der Präzisionsreinigung prozesssicher und wirtschaftlich durchführen? Wie können diese Reinigungsprozesse automatisiert und digitalisiert werden? Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um die industrielle Teilereinigung bietet die internationale Leitmesse für industrielle Teile- und Oberflächenreinigung «parts2clean», die vom 22. bis 24. Oktober 2019 auf dem Stuttgarter Messegelände durchgeführt wird. Sie ermöglicht umfassende Informationen über Reinigungssysteme, alternative Reinigungstechniken, Reinigungsmedien, Reinraumtechnik, Qualitätssicherungs- und Prüfverfahren, Reinigungs- und Transportbehältnisse, Entsorgung und Wiederaufbereitung von Prozessmedien, Handling und Automatisierung, Dienstleistung, Beratung, Forschung und Fachliteratur. Viel Know-how über unterschiedliche Themen zur Reinigung vermitteln auch das dreitägige Fachforum sowie Sonderschauen und die Guided Tours.
 
 
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