19 march 2019 |
Oberflächen POLYSURFACES 04/2018 |
Recycling
Veredelung für Lösemittel
Recycling in Reinform: Insgesamt 1,9 Mio. Euro hat die Richard Geiss GmbH in die jüngste Erweiterung der Lösemittel-Aufbereitungsanlage am Firmensitz in Offingen gesteckt. Nach vierjähriger Vorarbeit für Planung, Entwicklung und Installation hat das Unternehmen nun zwei neue Destillationskolonnen zur Aufbereitung von halogenfreien Lösemitteln in Betrieb genommen und damit nicht nur die Kapazitäten gesteigert, sondern gleichzeitig auch neue Märkte erschlossen.
«Wer in Recycling investiert, der investiert in die Umwelt und in Nachhaltigkeit. Mit den neuen Kolonnen können wir jetzt jedes Jahr 7000 t mehr als bisher an Lösemitteln aufbereiten. Dies bedeutet, dass jedes Jahr 7000 t weniger an neuen Lösemitteln produziert werden müssen», erklärt Bastian Geiss, geschäftsführender Gesellschafter der Richard Geiss GmbH.
In die Erweiterung der Destillationskolonnen in Offingen wurden fast 2 Mio. Euro investiert. (Bilder: Geiss) |
Recyclate fast wie Frischware
Die Installation der neuen Destillationsanlagen war dringend notwendig. Damit kann das Unternehmen nicht nur eine noch grössere Bandbreite an Stoffen recyceln, sondern gleichzeitig auch eine noch höhere Reinheit der Destillate garantieren. So entstehen nach dem Aufbereitungsprozess Recyclate, die sich fast nicht mehr von der Frischware unterscheiden lassen. Insgesamt hat sich die Destillationskapazität im Bereich der halogenfreien Lösemittel nun von 12‘000 auf 19‘000 t/Jahr erhöht.
«Alles läuft wie geplant. Wir haben auf Anhieb für beide Anlagen die passenden Medien gefunden, welche die neuen Destillationskolonnen sehr gut auslasten. In ganz Europa gehen die Recyclingquoten deutlich nach oben, die Nachfrage nach Destillation und Lohnaufbereitung ist gross. Genau für diesen Run sind wir jetzt bestens gerüstet», zieht Bastian Geiss, ein erstes Fazit. Das Familienunternehmen hat sich seit drei Generationen auf die Aufbereitung von hochreinen Lösemitteldestillaten und deren Rückführung in ein funktionierendes Kreislaufsystem spezialisiert.
«In erster Linie ist die Anlage für die Aufbereitung von Altwaren, also verschmutzten Lösemitteln, gedacht. Unser erster Auftrag für die neue Anlage war aber kein Recyclingauftrag, sondern vielmehr eine Destillation von Frischware für den späteren Einsatz im Hygienebereich. Durch Umstrukturierungsmassnahmen ist unser Kunde nicht mehr in der Lage, sein Lösemittel werksintern zu destillieren. Dies übernehmen wir jetzt, so zusagen als verlängerte Werkbank. In unserer modernen Anlage veredeln wir nun seine Frischware, durch unsere Destillation erhält sie einen noch höheren Reinheitsgrad», erklärt Bastian Geiss. Es können also sowohl Destillateure als auch Frischwarehersteller den Service der Lohndestillation nutzen, um eigene Kapazitätsspitzen und Engpässe bei der Aufbereitung oder Produktion von Frischware abzufangen.
Dank der beiden neuen Destillationskolonnen hat sich die Bandbreite an Stoffen, die destilliert werden kann, deutlich vergrössert. |
Vollkontinuierliche Trocknung und höheres Vakuum
Durch die neuen Kolonnen kann die Geiss seinen Kunden eine noch höhere Reinheit der Destillate bieten. Früher lief im Aufbereitungsprozess die Trocknung der Lösemittel hintereinander ab, jetzt passiert dies parallel. «So erreichen wir eine vollkontinuierliche Trocknung und ein noch höheres Vakuum, was entscheidend für die Qualität der Destillate ist. Mit den bisherigen Kolonnen konnten wir unsere Lösemittel nicht so weit trocknen wie jetzt», betont Bastian Geiss. Die bessere Trocknung kommt dem Reinheitsgrad und somit der Güte des Lösemittels zu gute. So steigt beispielsweise die Reinheit des aufbereiteten Lösemittels Ethanol von bisher 94 auf 99,9%. Das 94%ige Ethanol fand früher fast ausschliesslich im Winter, nämlich in Frostschutzmitteln, Anwendung. Jetzt ist es, dank der neuen technisch höheren Qualität von 99,9%, das ganze Jahr über in fast allen Bereichen einsetzbar.
Ein weiterer Vorteil der beiden neuen Destillationskolonnen ist die grössere Bandbreite an Stoffen, die destilliert werden kann. «Unsere neue Anlage ist fast ein Alleskönner. Wir können damit nahezu alle Stoffe destillieren, ausser säurehaltige Lösemittel. Dadurch sind wir enorm flexibel und können bei der Erledigung von Aufträgen, den so genannten Kampagnen, schnell switchen: Die eine Woche können wir dieses und in der darauf folgenden Woche ein anderes Lösemittel aufarbeiten», bemerkt Bastian Geiss. Der Vorteil ist gerade für Kunden, die unterschiedliche Lösemittel einsetzen und daher auch unterschiedliche Aufbereitungskampagnen benötigen, enorm. Denn diese Unternehmen müssen jetzt nicht mehr auf mehrere Spezialdienstleister zurückgreifen, sondern sie haben einen Ansprechpartner für die komplette Bandbreite. «Wir sind in so vielen Bereichen Spezialist, dass wir gleichzeitig schon wieder der Generalist für die Aufbereitung sind. Aber genau dies ist ja unsere Stärke», erklärt Bastian Geiss.
Ausbau und Erweiterung der Infrastruktur
Neben der Lösemittel-Aufbereitungsanlage hat Geiss auch die Laboranalytik ausgebaut und in ein RFA-Gerät sowie ein neues Spektrometer investiert. «Im Analysieren und Definieren von Stoffen sind wir jetzt ganz vorne mit dabei. Selbst kritische Stoffe, die wir früher zur Analyse an ein externes Labor abgeben mussten, können wir nun selbst bestimmen», betont Bastian Geiss. Im unternehmenseigenen Labor können jetzt deutlich mehr Parameter bestimmt werden. Die Destillate lassen sich somit nach Spezifikationen von Frischware definieren. «Dank der neuen Analytik können wir unseren Kunden nun schwarz auf weiss darlegen, dass unsere Destillate genauso gut sind wie Frischware», so Bastian Geiss. Somit sind die Destillate oftmals auch in kritischen Bereichen einsetzbar.
Im Rahmen der Erweiterungsmassnahmen wurde auch der firmeneigene Fuhrpark aufgestockt. Gegenüber ehemals vier sind nun sieben Tankwagen sowie zusätzliche Containerfahrzeuge und neue Mitarbeiter im Einsatz. So werden die Kunden pünktlich mit Frischware beliefert beziehungsweise die Altware entsorgt. Dies garantiert Prozesssicherheit. «Viele andere Lösemittellieferanten haben diese Logistik überhaupt nicht und sind auf Speditionen angewiesen. Wenn es hier zu Engpässen kommt, büsst dies letzten Endes der Kunde. Bei uns kann er sich auf einen Just-in-time-Service verlassen», betont Bastian Geiss.
Dank der Technik, Analytik und des Know-hows steht das Unternehmen mit ihren hochreinen Destillaten nicht nur mit anderen Destillateuren im Wettbewerb, sondern macht auch Frischwareherstellern Konkurrenz. «Unsere Destillate sind wirklich so gut, dass sie am Markt sogar oft als Frischware gehandelt werden», freut sich Bastian Geiss. So kommen in Bereichen, in denen früher ausschliesslich Frischware eingesetzt wurde, nunt auch verstärkt Recyclate zum Einsatz. THF (Tetrahydrofuran) und NMP (N-Methyl-2-pyrrolidon) finden beispielsweise im Bereich der Klebstoffe und Farblacke Anwendung.
Richard Geiss GmbH
D-89362 Offingen
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